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Botanisehe Mittheilungen
aus den Tropen
lierausgegeben
von
Dr. Ä. F. W. Schimper,
a. o. Professor der Botanik an der Universität Bonn.
Heft 7.
Brasilische Pilzblumen.
Von
Alfred Möller.
Mit 8 Tafeln.
Jena,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1895,
LIBRARY NEW YORK BOT AN IC AL
GARDEN
Brasilische Pilzblumen.
Von
Alfred MöUer.
Mit 8 Tafeln.
►♦♦*-
Jena,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1895,
LIBRARY xr i NEW YORK
Vorwort. BOTANICAL
GARDEN
So wie für das- vorhergehende VI. Heft der „Botanischen Mittheilungen aus den Tropen", so ist auch für das hiermit in die Oeffentlichkeit tretende der Stoff gesammelt worden während meines 2^|^ jährigen Aufenthalts zu Blumenau in Südbrasilien, Den Dank für die mir zu Theil gewordene Unterstützung und Be- rathung, dem ich im Vorwort zum VI. Hefte Ausdruck gegeben habe, wiederhole ich hier.
Während ich meine Beobachtungen über die Pilzgärten der Ameisen am Rande des Urwaldes unter dem unmittelbaren Eindrucke des Geschauten niederschreiben konnte , so ist dies- mal die Abhandlung selbst erst in Berlin im Sommer 1894 voll- ^^ endet worden. Es lag das in der Natur des bearbeiteten Stoffes
cyi begründet. Die anatomisch entwickelungsgeschichtliche Unter-
^j^ suchung der Phalloideenfruchtkörper kann an Spiritusmaterial '~^ leichter und sicherer, als an frischgesammeltem verfolgt werden. "^ Es wäre daher nicht richtig gewesen, die Zeit des Aufenthalts ^ in Brasilien, welche der Beobachtung der lebenden Formen gewidmet sein sollte, mit Arbeiten zuzubringen . welche eben so gut oder besser nach der Rückkehr konnten erledigt werden. In Berlin war mir zudem im KönigHchen botanischen Museum die Benutzung des Vergleichsmateriales und der umfangreichen Literatur über die Phalloideen ermöglicht.
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Herrn Geheirarath Professor Dr. Engler habe ich zu danken für die mir ertheilte Erlaubniss zu ungestörtester Benutzung aller Hülfsmittel, welche das botanische Museum bieten konnte; die Herren P. Hennings und Dr. Lindau halfen mir freundlichst beim Durchmustern der Sammlung, und beim Durchsuchen der Literatur. Auch bei der Correctur des Textes unterstützte mich Herr Dr. Lindau in liebenswürdigster Weise.
Ganz besonders aber habe ich diesmal noch mit herzlichem Danke eines gütigen Freundes zu gedenken, dessen lebhafter An- theilnahme an meiner Arbeit und dessen künstlerischem Können die wohlgelungene 1. Tafel dieses Heftes zu danken ist. Herr Richard Volk, Apotheker und Chemiker zu Ratzeburg in Lauen- burg, hat dies Bild der Dictyophora phalloidea nach einer von mir aufgenommenen Photographie gemalt. Die unbedingte Treue der Wiedergabe ist oberstes Ziel dieser Darstellung gewesen. Mit sorgsamer Mühe ist der durch das Lichtbild in seiner äusseren Erscheinung festgehaltene Pilz Linie für Linie nachgebildet, und ich kann wohl sagen, dass die Form jeder einzelnen Netzmasche der so schnell vergänglichen Wirklichkeit genau entspricht. Es waren viele mühevolle Skizzen und Versuche nothwendig. ehe das Bild, so wie es nun vorliegt, zu Stande kam. Auch Herr A, Giltsch zu Jena, aus dessen bewährter Anstalt die litho- graphischen Tafeln hervorgegangen sind, hat sich daran in liebens- würdigster Weise betheiligt. Herrn Rieh. Volk verdanke ich ausser- dem die schönen Figuren 31 und 32 auf Tafel VIII, welche den Perrückenkopf der neuen Gattung Itajahya darstellen.
Den im Titel angewendeten Ausdruck „Pilzblumen" habe ich zuerst in Ludwigs Lehrbuch der niederen Kryptogamen angetroffen. Wenn wir in den Phalloideen diejenigen Pilze sehen, welche vor allen anderen durch Gestalt, Farbe und Geruch die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, so dürfen wir ihnen den ästhetischen Namen ..Pilz- blumen" gewiss mit Recht zuertheilen. Dass auch Insekten, wenig- stens beim Ithyphallus impudicus, durch den Geruch angelockt
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werden,, and zur Verbreitung der Sporen jedenfalls beitragen können, ist bekannt, und durch eine Arbeit von T. Wemyss Fulton in den Annais of Botany 1889/90 ausführlich bestätigt worden. Dass freilich die Keimung der Sporen durch den Verdauungsprozess der Insekten soll hervorgerufen werden, wie jener Autor will, kann vorläufig nur als willkürliche Vermuthung angesehen werden. Auch wissen wir über den etwaigen Insektenbesuch bei fast allen andern Phalloideen so gut wie nichts. Nach diesen Rich- tungen hin soll also durch den Ausdruck „Pilzblumen" keiner be- stimmten Ansicht Ausdruck verliehen sein.
Berlin, Januar 1895,.
Inhalts -Verzeicliniss.
Seite
Einleitung l
I. Protubera nov. gen. und Clathreen.
1. Protubera JVIaracujä nov. gen. et nov. spec 10
2. Clathrus chrysomycelinus nov. spec 22
3. Colus Garciae nov. spec 35
4. Laternea columnata (Bosc) Nees 42
5. Blumenavia rhacodes nov. gen. et nov, spec 57
n. Phalleen.
6. Aporophallus subtilis nov. gen. et nov. spec 68
7. Mutinus bambusinus (Zollinger) Ed. Fischer 72
8. Itajahya galericulata nov. gen. et nov. spec 79
9. Ithyphallus glutinolens nov. spec 100
10. Dictyophora phalloidea Desvaux 111
11. Dictyophora callichroa nov. spec 129
Uebersicht der Ergebnisse 131
Zusammenstellung der durch die vorliegende Arbeit veränderten
und der Beschreibungen neuer Gattungen und Arten 145
Erklärung der Tafeln 149
Einleitung.
Die Untersuchungen über die Pilzgärten einiger südamerika- nischer Ameisen, von denen ich im 6. Hefte dieser Mittheilungen aus Blumenau in Brasilien berichten konnte , dehnten sich zwar durch die ganze Zeit meines beinahe dreijährigen dortigen Aufenthalts aus; doch scheute ich mich immer ihnen zuviel Zeit zuzuwenden und behandelte sie zumal im Anfange meiner Thätig- keit ziemlich stiefmütterlich. Sollte doch meine Hauptaufgabe, dem Plane gemäss, den ich vor der Abreise der Königl. Akademie der Wissenschaften vorlegte, in der entwickelungsgeschichtlichen Untersuchung von Pilzen durch künstliche Kultur bestehen, und als erwünschtestes Ziel in dieser Richtung musste die Auffindung von solchen noch unbekannten Formen gelten, welche typisch neu im Bau der fertigen Fruchtkörper oder im Gange der morpho- logischen Entwickelung, geeignet wären, unsere Kenntniss ül)er das natürliche System der Pilze zu festigen und an den noch weniger sicheren Stellen aufzuklären.
Dies Ziel behielt ich stets vor Augen ; auf die künstliche Kultur aller irgendwie Erfolg versprechenden Formen verwendete ich den Haupttheil meiner Zeit, und im Ganzen wurden über 9000 Gbjektträgerkulturen angelegt und beobachtet. Ich darf wohl sagen, dass diese Bemühung nicht ohne Erfolg geblieben ist. Eine
Schimper's Mitteiluugeii, Heft 7. 1
Reihe von Fürmeii wurden gefunden, welche in der Kultur werth- volle Ergänzungen der bisher in Europa gewonnenen Aufschlüsse ergaben, und es fanden sich aucli einige, welche als neue Typen müssen betrachtet werden, Formen also, welche meine oben an- gedeuteten AVünsche und Erwartungen ganz und gar befriedigten. Insbesondere nach Richtung der Protobasidiomyceten und der niederen Autobasidiomyceten war die Ausbeute reich zu nennen. Die Zeichnungen, welche die in den Kulturen gewonnenen Er- gebnisse darstellen, wurden stets sofort ausgeführt, und auch die Beschreibung der Beobachtungen liegt fertig vor. Es wird meine nächste Aufgabe sein, über das Ergebniss jener meiner Haupt- arbeit in zusammenhängender Darstellung zu berichten. Mit um so grösserer Freude denke ich mich dieser Pflicht zu entledigen, als meine ganze Arbeit Schritt für Schritt sich darstellen wird als eine glänzende Bestätigung der Richtigkeit jener Anschauungen, welche über das System im Reiche der Pilze Professor Brefeld, mein verehrter Lehrer in fünfundzwanzigjähriger unermüdlicher Arbeit geschaffen hat. Immer klarer, immer einfacher und natür- licher enthüllt sich der verwandtschaftliche Zusammenhang der verschiedenen Gruppen des chlorophyllosen Pflanzenreiches in jedem folgenden Bande der Brefeld'sclien „Untersuchungen aus dem Gesammtgebiete der Mycologie", verständlich in ihrer morpholo- gischen Bedeutung werden nach und nach alle die unendlich mannigfaltigen ungeschlechtlichen Fruchtformen, welche die Forscher früherer Zeiten in Verwirrung setzten, auf Grund des umfassenden Thatsachenmaterials werden sie auf wenige Typen zurückgeführt, bis endlich am Schlüsse des 8. und des 10. Bandes jenes Werkes das Gesammtresultat der Forschungen in scharfen Zügen kurz und klar dem mit den Thatsachen vertrauten Leser vor Augen gestellt werden kann.
Welche noch nie vordem gesehene Form auch immer ich dem Boden des südbrasilischen Urwaldes entnahm, ihr Verständniss begegnete keinen Schwierigkeiten, wenn ich sie im laichte jener
Brefeld'schen Auffassungen betrachtete. Mühelos, sehr natürlich fügten sie sich den Verwandtschaftsreihen ein und an, deren Zu- sammenhang richtig erkannt war, hier eine Lücke ausfüllend zwischen schon bekannten Formen , dort über die höchsten be- kannten noch einen Schritt hinausgehend durch höhere Form- ausbildung des Fruchtkörpers,
Vorher jedoch, ehe ich meiner Hauptaufgabe mich zuwende, lockt es mich , zum zweiten Male einen Seitenweg meiner Be- obachtungen zu verfolgen, und die Ergebnisse mitzutheilen über eine besondere Gruppe von Pilzen, die zwar im Sinne jener Haupt- aufgabe nur geringe Aufklärung und Förderung in Aussicht stellten, die ich aber als Pilzforscher in Brasilien ebensowenig un- beachtet lassen konnte, wie die pilzzüchtenden Ameisen, weil sie mit zu auffallender, zu anziehender und die Neugier stachelnder Eigenart sich mir immer und immer wieder aufdrängten. Ich meine die durch ihre wundersamen Formen auffallendste aller Pilzfamilien, die Phalloideen. Schon bald nach meiner Ankunft in Brasilien, wenn ich den Landsleuten in Blumenau auf ihre Frage, was ich denn dort zu thun gedächte zur Antwort gab, ich wollte mich mit Pilzen beschäftigen, wurde mir oftmals gesagt: o wir haben hier einen sehr merkwürdigen Pilz, er ist nur Abends zu sehen, stinkt abscheulich, hat einen Stiel und ein Netz darum, wie einen Reifrock, die Kinder nennen ihn die Dame, oder auch die Schleierdame. Das war die deutsch-brasilische Diagnose der Dictyophora phalloidea. Und kaum war mit dem November 1890 die heisse Jahreszeit herangekommen, so wurde mir auch eine solche Dame gebracht, und ich stand staunend vor diesem merk- würdigsten aller Pilzgebilde (Taf. I), und fasste im Augenblick den Entschluss, alles zu sammeln, was ich von Phalloideen nur irgend würde auftreiben können. Die Gesammtausbeute gestaltete sich nicht ungünstig. Nicht weniger als 10 verschiedene Formen von Phalloideen fand ich auf dem Gebiete der Colonie Blumenau, und es dürften wenige, wenn überhaupt irgend welche Oertlich-
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keiten auf der Erde bekannt sein, auf denen bei gleich enger Umgrenzung des Gebietes eine gleich grosse Anzahl von Vertretern jeuer Familie gefunden worden ist. Das Sammeln und vor Allem das Beobachten der Phalloideen im Freien gewann alsbald einen ausserordentlichen Keiz, Diese Beschäftigung ist spannend, reich an Ueberraschungen entmuthigender und freudiger Art. Sind doch bei weitem die meisten Phalloideen nirgends wirklich gemein zu nennen, jede Fundstelle wird mit Freude begrüsst. Werden nur Eier gefunden, so entsteht zumal im Anfang, ehe man mit den Formen vertraut ist, die Frage, was für ein Pilz wird es werden? Die Neugier treibt dazu, das Ei abzuernten, und als werthvolles Objekt für die Untersuchung zu benutzen. Die Ueberlegung aber fordert, es stehen zu lassen, um wenigstens erst ein entwickeltes Exemplar gesehen zu haben. Die Sorge entsteht, wird der kost- bare Fund auch nicht verloren gehen, sich gesund entwickeln? Man verbirgt ihn durch Laub vor den Augen der Menschen und Thiere. AVie leicht erzeugt man dadurch einen Krüppel, wenn das Receptaculum sich streckt, und dann an einem Blatt oder Zweigstück Widerstand findet. Oftmals auch sind mir Eier, die ich wochen- ja monatelang mit regelmässigen Zwisclionräumen bisweilen an ziemlich entfernten Standorten beobachtet hatte, im letzten jMomcnt auf unbegreifliche Weise verloren gegangen, so dass ich glauben niuss, dass sie von Thieren gefressen werden. Der merkwürdigste Fall trug sich mit einem Dictyophoraei zu, welches dicht bei meiner AVohnung im Wegegraben stand. Ich erwartete sein Aufplatzen an einem Dezember- Abend 1890. Es war stock- dunkel und ich ging alle Viertelstunde mit der brennenden Lampe nach dem Standort. Um '■^•j^lO Uhr hatte das Ei noch unverletzt gestanden und war noch nicht geplatzt. U]n 10 Uhr war es spurlos verschwunden.
Zu der verhältnissmässigen Seltenheit der Pilze kommt als weiterer erschwerender Umstand noch die stets sehr kurze Lebens- dauer in entwickeltem Zustande. Ist man ondlicli einmal so glück-
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lieh, ein Ei im Moment des Aufbrechens anzutreffen, nicht zu früh und nicht zu spät zu kommen, so geniesst man allerdings ein fesselndes, eigenartiges Schauspiel, wie ich es insbesondere für Dictyophora noch eingehend zu beschreiben habe. Weiterhin ist es dann von allergrösster Wichtigkeit, möglichst reichliches Material zu sammeln.
Liegt doch die Unsicherheit der Artumgrenzung bei den Phalloideen am meisten in dem Umstände begründet, dass so oft nur ein oder wenige Exemplare beobachtet worden sind, und man nicht in der Lage war, die Grenzen der individuellen Ab- weichungen feststellen zu können. Bei jedem neuen Standort entsteht nun die neue Schwierigkeit, erst einen entwickelten Frucht- körper zu haben, dann aber wenn möglich Eier aller Grössen zu sammeln. Eine befriedigende Sammlung in diesem Sinne, die also reichliches Material an entwickelten Fruchtkörpern und Eiern aller Entwickelungsstadien enthält, kann nur in mehr- jährigem Aufenthalt an einem und demselben Orte und bei dauernder Aufmerksamkeit annähernd zusammengebracht werden. Wenn es mir gelang, in der Mehrzahl der Fälle das Material zu beschaffen, welches allen Anforderungen genügte, so verdanke ich das hauptsächlich der fortdauernden regen Unterstützung der ich mich bei meinen Sammlungen zu erfreuen hatte.
Insbesondere gedenke ich dankbar hier der Frau AnnaBrockes, Dr. Fritz Müller's ältester Tochter, meiner verehrten Cousine. Schon bei den Pilzgärten der Ameisen habe ich ihrer Unterstützung Erwähnung gethan, da sie zuerst die Gärten der Apterostigma- Arten entdeckte. Mit lebhaftem Interesse und feinem Verständ- niss nahm sie auch an meinen sonstigen Arbeiten Theil. Sie be- merkte zuerst die goldgelbe Farbe der Mycelien des neuen Clathrus chrysomycelinus, und ihr Spürsinn fand bald einen sehr üppigen Standort des Pilzes, auf dem das erforderliche reiche Material an jungen Zuständen gesammelt werden konnte. Herr Erich Gärtner, mein treuer Gehülfe bei den Arbeiten, hat Woche
für Woche die Blumenauer Umgegend dui-chstreift, und stets auf Phalloideen besonderes Augenmerk gerichtet. Ihm verdanke ich einen grossen Theil des gesammelten Materials. Dr. Fritz Müller und Herr August Müller, meine verehrten Onkel, und mehrere freundliche Einwohner Blumenaus, insbesondere auch der Herr Lehrer Härtel, benachrichtigten mich von jedem auffallenden Pilzfunde, der ihnen vorkam; und die Kinder der Nachbarschaft wurden zeitweise durch ausgesetzte Belohnung zum Eiersuchen ermuntert.
Die wissenschaftliche Verwerthung des so gewonnenen Mate- riales ist mir ausserordentlich erleichtert worden durch die sorg- samen umfangreichen Arbeiten von Ed. Fischer, deren peinliche Genauigkeit und Zuverlässigkeit ich immer wieder aufs neue zu bestätigen Gelegenheit fand. Oftmals war es mir möglich, selbst verwickelte Vorgänge in der Entwickelungsgeschichte der Frucht- körper mit verhältnissmässig kurzen Worten zu schildern, wenn ich die treffenden Bezeichnungen und die oft schwer zu findenden Ausdrucksformen benutzte, die in jenen xlrbeiten geschaffen worden sind. Ich werde auf dieselben fort und fort zu verweisen haben, und wenn ich mich auch bemühte, durch kurze Zu- sammenfassung ihrer Ergebnisse dem Leser dieser Mitthei- lungen ein stetes Nachschlagen zu ersparen, so wird doch der- jenige, der die Thatsachen nachprüfen oder auch nur den ent- wickelungsgeschichtlichen Einzelheiten gründlich näher treten will, stets auf Fischer's Untersuchungen zurückgreifen müssen. Der Kürze halber führe ich gleich hier die für uns wichtigsten Arbeiten Fischer's an, um sie weiterhin mit der daneben ver- merkten Abkürzung bezeichnen zu können.
Die Abhandlung: „Versuch einer systematischen Übersicht über die bisher bekannten Phalloideen'', Jahrbuch des botanischen Gartens zu Berlin, Bd. IV, bezeichne ich als: Fischer 1886;
die „Zur Entwickelungsgeschichte der Fruchtkörper einiger
Plialloideen*", Aunales du Jürdin botanique de Buitcnzorg. 1887, als: Fischer 1887;
die „Untersuchungen zur vergleichenden Entwickelungs- geschichte und Systematik derPhalloideen", Denkschrift der schwei- zerischen naturforschenden Gesellschaft, Bd. 32. I. 1890, als: Fischer 1890;
die ,, Neuen Untersuchungen zur vergleichenden Entwicke- lungsgeschichte und Systematik der Phalloideen^", wie vor. Bd. 33. 1. 1893. als: Fischer 1893.
Diese x\rbeiten dienten mir zur wesentlichsten Grundlage aller Beobachtungen. Dank dem unermüdlichen Eifer und der ausserordentlich gewissenhaften Beobachtung Fischers sind wir heute über den Etitwickelungsgang der Phalloideenfruchtkörper besser unterrichtet, wie über denjenigen mancher andern viel leichter zugänglichen ßasidiomycetengruppen. Nur an den Stellen, wo in Fischer's Angaben sich in Folge bisher fehlenden Materials noch Lücken vorfanden, sowie bei den neuen Formen, konnte ich hoffen, mit meinen Beobachtungen Ergänzungen herbeiführen zu können. Wenn ich also auch fortdauernd die grösste Mühe darauf verwendete, in möglichst reichlicher Weise Material für die vergleichende Untersuchung der Entwickelungsgeschichte zu sammeln , so richtete ich doch mein Hauptaugenmerk auf die Beobachtung der betreffenden Phalloideen im Freien, auf ihr Vorkommen, auf die Lebensweise ihrer Mycehen, auf den Streck- ungsvorgang und auf die eigenthümlichen Gerüche; denn gerade nach dieser Richtung ist die reiche Phalloideenlitteratur bisher noch arm geblieben. Weiterhin war es mein Hauptbestreben, von den wunderbaren Formen, die nur so selten in vollendeter Ent- faltung unversehrt zu erhalten sind, möglichst getreue, also pho- tographische Abbildungen zu gewinnen , die in den angefügten Tafeln zum Theil wiedergegeben worden sind. Mehr als bei anderen Pilzformen ist bei den Phalloideen auf photographische Abbildungen Wert zu legen. Nur mit ihrer Hülfe wird es den^
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j eiligen Naturforscliern, welche sich mit Phalloideen beschäftigen und die tropischen Formen derselben nur aus den zusammen- geschrumpften Alkoholexemplaren und aus mehr oder weniger sche- matischen, nach dem Gedächtniss angefertigten, nicht immer treuen Zeichnungen kennen, möglich gemacht, eine klare anschauliche Vor- stellung von diesen Gebilden zu gewinnen. Und auch der einfache Naturfreund, der sich um ihrer wunderbaren Gestaltung willen für diese Pilzgruppe interessirt, wird die Photographie gern be- trachten, die ihm Gewissheit giebt, dass bei der Darstellung so merkwürdiger Gebilde jede Willkür der zeichnenden Hand, jede Ausschmückung, jede Schematisirung vermieden worden ist. AVenn irgendwo, so wird man bei den Phalloideen an Abbildungen nicht leicht zuviel bringen. Die individuellen Verschiedenheiten der Fruchtkörper sind gross ; die Beschreibung ist schwierig durch die beispiellose Eigenheit der Formen. Die Erhaltung von natür- lichen Vergleichsstücken ist sehr erschwert, getrocknetes Material ist fast ganz wertlos. Nur wenn frische Fruchtkörper in Alkohol gebracht werden, lassen sich brauchbare Sammlungsstücke er- zielen, aber auch sie sind durch die starke Schrumpfung mehr oder weniger entstellt. Aus allen diesen Gründen hielt ich es für gerechtfertigt, verhältnissmässig viel Zeit und Mühe auf die Herstellung der Photographien zu verwenden. Um wirklich gute unverletzte Fruchtkörper zu erhalten, ist es noth wendig, reife Eier zu sammeln, und den Streckungsvorgang im Laboratorium, am besten unter einer schützenden Glocke sich vollziehen zu lassen ; denn nur in den seltensten Fällen wird es gelingen, in der Natur entwickelte Fruchtkörper unbeschädigt vor die photographische Linse zu bringen. Die reifen Eier zu erhalten ist aber sehr schwierig, weil man nicht bei allen Formen sehen kann, ob der Streckungsvorgang nahe bevorsteht. In der Länge der Zeit kam ich jedoch immer zum Ziel, und mit einer einzigen Ausnahme sind alle die auf den Tafeln dargestellten Fruchtkörper in meinem Laboratorium unter den Augen des Beobachters aus dem Ei ent-
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wickelt. Bisher hat wohl noch kein Mykolog eine so grosse Anzahl verschiedener Phalloideentypen lebend beobachtet, wie ich es durch die Gunst der Verhältnisse zu thun im Stande war. Möge es durch diesen Umstand entschuldigt werden, dass ich an einigen Stellen der Schilderung des Gesehenen einen verhältniss- mässig breiten Raum gönnte.
Protu))era nov. 2:011. und Claihreen. I. Protubera Maracuja nov. gen.
Ueber die verwandtscliaftlicben Verliältnisse derPballoideen zu anderen Pilzgruppen ist bis in die jüngste Zeit nicbts sicheres bekannt geworden. Nur Yermutbungen wurden geäussert. Man hat auf die unleugbare Aehnlichkeit hingewiesen, welche ein junger Amanitafruchtkörper mit dem Ei von Phallus darbietet, auf der anderen Seite ist auch die grosse Uebereinstimmung. welche der Bau der Gleba bei einigen Hymenogastreen mit demjenigen von Phalloideen zeigt, nicht unbemerkt geblieben. Wenn Vittadini schon im Jahre 1831 ein Hysterangium mit dem Namen clathroides bezeichnete, so wollte er offenbar diese Aehnlichkeit betonen. Welcher thatsächliche Werth jedoch darauf zu legen sei. musste so lange unentschieden bleiben, als man von der Bntwickelungs- geschichte der Hymenogastreen so gut wie nichts wusste, und dies war bis in die letzte Zeit der Fall.
Es musste demnach jede einzelne .Form aus jenem der Be- obachtung schwer zugänglichen Kreise der ..Unterirdischen" hoch- willkommen sein, wenn es nur gelang, sie in allen Entwickelungs- zuständen zu sammeln.
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Nachdem ich bei meinen Ausflügen in den Wäldern umBlumenau im Jahre 1890 zum ersten male eine Hymenogastree gefunden hatte, dieselbe, welche ich nachher mit dem Namen Protubera Maracuja belegte, war und blieb es mein eifrigstes Bestreben, ein möglichst reichliches Material von Entwickelungszuständen aller Alters- stufen zusammenzubringen, um später die Entwickelungsgeschichte aufklären zu können. Zwar blieb nun bei weiterem Suchen in den nächstfolgenden Jahren diese Protubera die einzige Hymenogastree, sie erwies sich aber als im Itajahythale durchaus nicht selten, und im Laufe der Jahre sammelte ich soviel, als ich irgend für die Lösung der angeregten Frage wünschen konnte. Mehrere Flaschen, gefüllt mit den in Alkohol erhaltenen Fruchtkörpern von weniger als Stecknadelkopfgrösse bis zu 40 mm Durchmesser waren das Ergebniss der fortgesetzt betriebenen Sammlungen.
Nach Deutschland im Oktober 1893 zurückgekehrt, erhielt ich die ausgezeichnete Arbeit des Herrn Rehsteiner: „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Fruchtkörper einiger Gastromyceten", Bot. Ztg. 1892, welche auf dem besprochenen Gebiete auf einmal unsere Kenntnisse um ein beträchtliches Stück vorwärts gebracht hatte. Nicht nur für eine, nein für eine ganze Reihe bis dahin in dem Entwickelungsgange völlig unbekannter Formen gelang es Herrn Rehsteiner das nötige Material zu beschaffen , und die mühevolle Untersuchung durchzuführen. Aus der Gruppe der Hymenogastreen wurden Hymenogaster decorus, Hysterangium clathroides und Rhizopogon rubescens in dieser Weise behandelt und es scheint, dass die Mühe des Forschers — dessen Verdienst, dadurch wahrlich nicht geschmälert werden soll — auch vom Glück begünstigt worden ist; denn diese drei Formen stellten drei ganz verschieden ) Typen der Entwickelung dar, und ergaben in Folge dessen so reiche Aufschlüsse nach jeder Richtung, als man nur irgend hätte hoffen können.
Herr Rehsteiner fand, dass die Anlage der Gleba bei Hymeno- gaster Phallus-artig war, d. h. in einer oberen glockenförmigen
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Zone des kugeligen Fruclitkörpers erfolgte, und von da luicli innen und unten sich ausbreitete. Bei Hysterangium erwies sie sich Clathrus-artig; d. li. sie erfolgte in der Peripherie des jungen Fruchtkörpers, dicht unter der Peridie, und schob von da beim zunehmenden "Wachsthum ihre Wülste nach aussen vor, dazwischen verwirrte Falten schaffend, die (Tlebakammern, Rhizopogon end- lich besass eine Lycoperdon-artige Glebaanlage. d. h. sie begann durch den ganzen Fruchtkörper hindurch gleichzeitig an ver- schiedenen Stellen an der Aussenwand von Knäueln dichter ver- flochtenen Gewebes , die sich aus dem ursprünglichen gleich- artigen Fadengeflecht herausformten. Es folgte, als wertvollstes Resultat jener Arbeit, dass die drei genannten Hymen ogastreen- formen in näheren verwandtschaftlichen Beziehungen zu andern Pilzgruppen, zu den Phalleen, Clathreen und Lycoperdaceen stehen, als zu einander selbst.
Wenn schon früher erkannt worden war, dass die Gruppe der ,,Hypogaei" nur eine biologische war, geeint durch das gemein- same unterirdische Vorkommen der knollenartigen Fruchtkörper, dass eine systematische Verwandtschaft zwischen ihren zu den Ascomyceten gehörigen Gliedern, und denen, welche sich als ßasi- diomyceten erwiesen , nicht bestehen konnte , so lösen sich nun auch dieBasidien tragenden Hypogäen, die Hymenogastreen, in vor- läufig drei immerhin recht weit von einander al)stehende Gruppen auf.
Hymenogaster erscheint nach Rehsteiner als ein den Stamm- formen der Phalleen nahestehender Pilz. Doch ist der Ab- stand von Hymenogaster zu den niedersten Phalleen noch ein recht grosser, und der Zusammenhang der Formen kann vorläufig nur als wahrscheinlich, keineswegs als sicher erwiesen gelten, wie Rehsteiner selbst in ausführlicher Darlegung nachweist (a. a. O. S. 39/40 d. S. A.).
Viel sicherer erschien die Ableitung der Clathreen von Hysterangium. Hier waren die Beziehungen unverkennbar deut- liche, wenngleich das Mass der Unterschiede noch so gross blieb,
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flass Avir uns eine lange Eeihe von unbekannten Zwischenforraen zu denken hatten. Insbesondere hatte Hysterangium verhältniss- mässig grosse ellipstisch spindelförmige Sporen von 12—14 i^i Länge und 4 — 5 /t Breite, welche zu zweien auf der ßasidie stehen, wohingegen die Clathreen kleine, höchstens 5 {.i lange, fast stäb- chenförmige Sporen besitzen, die zu 6 — 8 auf der Basidie an- geordnet sind. Abgesehen von diesem Unterschiede fasste Fischer (1893, S. 45) die Verschiedenheiten der Formen kurz zu- sammen, indem er sagte:
„Der Unterschied der beiden Pilze besteht besonders darin, dass bei Hysterangium die Bildung der Tramawülste direkt am Centralstrang (welcher seinerseits aussen direkt an die Peridie grenzt) erfolgt, ohne vorangegangene DifFerenzirung von Central- strangzweigen, ferner darin, dass bei demselben die Bildung des Beceptaculums und der Volva unterbleibt." Wie werden nun sehen, dass die hervorgehobenen Unterschiede bei Protubera alle bis auf das fehlende Receptaculum ausgeglichen sind, dass die Centralstrangzweige angelegt werden wie bei Clathrus, bevor die erste Hymeniumanlage sichtbar wird, und dass die Ausbildung der von den nicht differenzirten Zwischengefieclitsplatten durchsetzten Volva hier, wie bei Clathrus erfolgt, mit andern Worten, dass in Protubera eine Zwischenform zwischen Hysterangium und Clathrus gegeben ist, welche den verwandtschaftlichen Zusammen- hang beider über allen Zweifel erhebt und eine glänzende Be- stätigung der von Rehsteiner zuerst geäusserten Ansicht bildet.
Protubera ist, wie schon erwähnt wurde, im Waldgebiete des Itajahythales ein weitverbreiteter Pilz. Ich traf ihn vorzugsweise au lehmigen Stellen des Waldbodens im tiefen Schatten, im Wurzelgeflecht verschiedenster Bäume. Dort breiten sich die strangförmigen, fast reinweissen, mitunter schwach röthlich ange- hauchten Mycelstränge dicht unter der Oberfläche im Humus auf weite Strecken hin aus. Die Sti'änge erreichen bis 3 mm Dicke, sie verzweigen sich mannigfaltig und auastomosiren auch
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mit einander. Einmal gelang es, auf einer Fläche von einem Quadratmeter ein dichtes Netz eines solchen Mycelgeflechts frei- zulegen, wo dann Stränge von über 1 m Länge gewonnen werden konnten. Morsche Holzstücke werden durch- und um- sponnen. Das Mark der Stränge besteht aus 2 ^.i starken, im allgemeinen parallel und in der Längsrichtung, jedoch geschlängelt, verlaufenden Hyphen, deren Membranen stark vergallertet sind. Die Rindenschicht wird durch locker vertiochtene, bis 5 f.i starke, nicht vergallertete, unregelmässig, im allgemeinen peripherisch verlaufende und verwirrte Fäden gebildet. Die Rindenschicht ist dicht erfüllt mit blasenartigen Auftreibungen der Fäden, welche Kalkoxalat enthalten. Diese Blasen haben 24—50 {.l im Durchmesser und liegen auch in dünnen Schnitten so zahlreich und dicht bei ein- ander, dass die ganze Rinde wie ein Conglomerat von Oxalat- krystallen erscheint, und dass es nicht miiglich ist, über ihre Hyphenstruktur eine Vorstellung zu gewinnen, ehe man nicht das Kalkoxalat (z. B. durch Salzsäure) aufgelöst hat. Der gallertige zähe Strang bildet auf dem Querschnitt ein eigenartiges Bild da- durch, dass die in Gallerte eingehüllten Fäden zwischen sich Hohl- räume lassen, w^elche in der Längsrichtung den ganzen Strang durch- ziehen und auf sehr dünnen Querschnitten das Bild einer Sieb- platte hervorrufen. Ist der Querschnitt etwas dicker, so wird das Bild der Siebplatte undeutlich, da ebenso wie die Fäden auch die Hohlräume den geschlängelten Verlauf haben, und in einem dickeren Schnitt in Folge dessen zum Theil wieder verdeckt werden. Der Durchmesser der Hohlräume (auf dem Querschnitt) geht von fast unmerkbarer Kleinheit bis zu 8 /^ Ihre Querschnittsform ist ganz unregelmässig, im ganzen rundlich, und die sie trennenden Wände und Gallerthyphen erreichen kaum über 5 (^i Stärke.
Ganz vereinzelt finden sich noch in den Strängen Hyphen von 2 — 7 ^i Durchmesser, welche beträchtliche Länge erreichen, unver- zweigt erscheinen, scharf umzeichnete Ränder und einen stark licht- brechenden Inhalt haben. Sie finden sich in den Hauptsträngen nur
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sehr vereinzelt uad selten, in grosser Zahl und regelmässig jedoch dicht unter der xlnsatzstelle der Fruchtkörper. Sie liegen gleichsam wie fremde Körper in dem durchsichtigen Gallertgewebe, und sind an den Enden kuglig aufgetrieben. Ich möchte glauben dass dies Reservestoffbehälter sind, in denen die Baustoffe für den Frucht- körper angehäuft werden, um allmähliche Verwendung zu finden. Wenigstens stimmt es mit dieser Auffassung überein, dass man diese scheidewandlosen Schläuche zahlreich und von Inhalt strotzend am Grunde ganz junger Fruchtkörperanlagen findet, während man am Grunde der ausgewachsenen Früchte sie zum grössten Theil in- haltsleer und verfallen beobachtet.
Die Fruchtkörper stehen an den Enden der Mycelstränge als rundliche Knollen. Fast ausnahmslos geht jeder Fruchtkörper nur aus einem Strange hervor. Sie sind in der Jugend ganz glatt helUederbraun, ältere Fruchtkörper sind durch Runzeln gefältelt und etwas dunkler (Fig. 1). Sie erreichen Durchmesser, so weit meine Beobachtungen reichen, bis zu 50 mm; die jüngsten Zu- stände sind meist vollkommen unterirdisch. Erst die stärker werdenden Fruchtkörper wölben die schwache Bedeckungsschicht auf und treten mit ihrer Obeifiäche aus der Erde hervor (pro- tuberare). Alle Fruchtkörper, auch die Mycelstränge, ändern ihre Farbe in Alkohol nur wenig und sinken darin sofort unter.
Die Peridie erreicht kaum je über ^4 i^m Stärke; sie besteht aus gebräuntem pseudoparenchymatischem Gewebe, und ist im Verhältniss zur Rinde der Stränge arm an Kalkoxalat. Sie be- rührt die Gleba nicht, sondern sie umgiebt die weisse, in dickeren Schnitten fast bläuliche Volvagallerte , welche Protubera aus- zeichnet. Vergl. Taf. VI Fig. 6. Die Dicke der Volvagallerte ist bei den einzelnen Fruchtkörperu verschieden, erreicht aber bisweilen 2 — 3 mm. Durch dickere oder dünnere (Fig. 6) strahlen- artig oder, räumlich gesprochen, tütenartig von dem Anheftungs- punkte der Fruchtkörper ausgehende gallertige Platten , die Zweige des Centralstrangcs, steht die Volvagallerte in Verbin-
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duiig mit der gleicbgebildeten, polsterartigen, am Grunde der Fruchtkörper befindlichen Grallertraasse, welche eine Erweiterung des Mycelstrangmarkes darstellt, und schon in den jüngsten Fruchtkörpern angelegt ist. Die radial gerichteten Gallertplatten umschliessen die ebenfalls im grossen Ganzen strahlig ange- ordneten Glebapartien mit ihrem faltigen Kammergewirr. Die Gleba ist von schwärzlich grüner Farbe. Ihre Falten sind vom Hymenium ausgekleidet in der für die Clathreen charakteristischen, oft beschriebenen Weise. Die Basidien, welche bei Protubera denen von Clathrus zum Verwechseln ähnlich sind, tragen auf ganz kurzen Sterigmenje acht Sporen, welche länglich, fast stäbchen- förmig, 3 — 4 ^t lang und IV2 !^ breit sind, dabei schwärzlich grün gefärbt. Diese Sporen sind also für unsere Wahrnehmung ununter- scheidbar von Clathrus -Sporen, und durch den Besitz solcher Basidien und Sporen nähert sich Protubera in auffälliger Weise vor allen anderen Hymenogastreen den Phalloideen. Hysterangium hat, wie schon oben erwähnt wurde, zweisporige Basidien, und Sporen, welche schon durch ihre Grösse — 12— 14/< Länge und 4—5 (t Breite — von denen der Phalloideen. im besonderen von Clathrus, weit abweichen. Dieser Unterschied ist bei Protubera vollständig ausgeglichen. Wir bemerken aber an dem entwickelten Fruchtkörper noch eine weitere mit Hysterangium nicht, wohl aber mit Clathrus übereinstimmende Eigenheit. Man sieht auf der Figur 6 an vier Stellen die Volva durchsetzt von einer dunklen nach der Gleba hin verlaufenden Linie. Diese Linien stellen durch den Schnitt getroffene AVände dar, welche die Volva abtheilen. Derartige Wände in der Volva kommen, wie wir noch weiter sehen werden, bei allen Clathreen vor, man vergleiche z. B. Fig. 10, Taf. VI und Fig. 14 u. 15 auf Taf. VII. Auf ihre Entstehung werden wir näher einzugehen haben. Hier genügt es, hervorzu- heben, dass in dem Besitz dieser Volvascheidewände Protubera sich den Clathreen aufs engste anschliesst. Schält man einen Fruchtkörper von Protubpra möglichst dünn :il), so dass die
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Peridie und die oberste Schicht der Volva cnti'ernt werden, so bemerkt man an seiner Oberfläche ein Netz von Maschen, welches in ganz ähnlicher Weise, nur noch regelmässiger ausgebildet, an an einem ebenso abgeschälten Fruchtkörper von Clathrus be- obachtet wird. Schält man einem solchen Clathrusfruchtkörper dann weiter, so bemerkt man, dass jene AVände unmittelbar in das darunter liegende gitterige Receptaculum überführen, welches bei Protubera noch nicht zur Ausbildung gelangt.
Zu bemerken ist noch, dass in diesen Volvascheidewänden der Protubera ungewöhnlich reiche Einlagerung von Krystallen stattfindet, welche in der Volvagallerte selbst nicht vorkommen, und auch in der Peridie weniger zahlreich auftreten, als gerade in diesen Wänden.
Nach meinen Beobachtungen kommt unser Pilz im Itajahy- thal ohne Unterschied in allen Jahreszeiten vor. An ein und demselben Standort, an dem ich das Mycel ungestört liess, konnte ich ihn über 2 Jahre lang in unregelmässigen Zwischenräumen immer wieder beobachten, üeber die Schnelligkeit der Entwicke- lung der einzelnen Fruchtkörper kann ich einige Angaben machen. Ein solcher, der am 6. Dezember 1890 33 mm grössten Durch- messer hatte, zeigte
am 20. Dezember 42 mm., ,, 29. „ war er unverändert,
und wurde am 5. Januar zerflossen gefunden.
Ein anderer Fruchtkörper mass
am 13. Dezember 19 mm grössten Durchmesser, }) 20. „ 29 ,, ,
„ 29. „ 35 ;, ,
„ 5. Januar 40
?j >
„ 12. „ ebenfalls 40 mm und zerfloss an einem der nächsten Tage. Bei mehreren anderen ebenfalls in gleichen Zwischenräumen nachgemessenen Frucht- körpern verlief das Wachstum mit ungefähr gleicher Geschwindig-
Schimpei's Mittheüuiigeu Heft 7. 2
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keit. Ich glauLe bestimmt versiclieru zu küiinen, dass auch die erste Entwickelung in gleich schneller Weise vor sich geht. Wenigstens fand ich mehrfach Fruchtkörper von ungefähr 30 mm Durchmesser an genau beobachteten Stellen, an denen 14 Tage bis 3 Wochen vorher noch keine Spur davon bemerkt worden war.
Bei der Reife platzt die Peridie unregelmässig auf, die Volva zerfliesst zu einer weissschleimigen Flüssigkeit, in der die grünlichen Sporenmassen sich dann verbeiten. Mit dem Flüssigwerden erzeugt der Pilz einen starken, scharfen, nicht widerwärtigen Geruch, welcher ausserordentlich an den von reifen Früchten einer in Blumenau häufig cultivirten Passions - Blume (nach Dr. Fritz Müllers gütiger Mittheilung der Passiflora alata Ait.) erinnert. Da die sämmtlichen Passifloren, von denen viele bei Blumenau vorkommende, essbare Früchte liefern, in der Landessprache Mara- cujä genannt werden, so habe ich dem Pilze diesen Zunamen ge- geben.
Die Entwickelungsgeschichte unserer Fruchtkörper konnte an dem reichlich gesammelten Material genau verfolgt werden. Die alier- jüngsten Zustände zeigen uns nur eine Erweiterung des Mycel- stranges, dessen Rinde in die des jungen Fruchtkörpers überführt, und dessen Mark in seiner Fortsetzung die kleine kuglige Anschwel- lung ohne irgendwelche Differenzirung ausfüllt, als ein gallertiges, von überaus feinen und starkverwirrten Fäden gebildetes Geflecht. In dem nächsten Zustand (Fig. 2 Taf. VI) unterscheiden wir auf dem Längsschnitte den Centralstrang S., welcher sich in zahlreiche nach der Peripherie zu fortschreitende Aeste theilt (Pj — G), und zwischen diesen Aesten das Zwischengeflecht A; das ganze von der Peridie umgeben.
Ich benutze hier und im Folgenden die von Ed. Fischer (1890) eingeführten Ausdrücke , und auch die von ihm angewendeten Buchstaben zur Bezeichnung der einander entsprechenden Theile in den Figuren, um eine vergleichende Betrachtung zu er- leichtern.
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In dem beschriebenen Zustande der Fig. 2 weicht nun Pro- tubera von Hysterangium bereits ein wenig ab, und nähert sich mehr der Entwickelung von Clathrus. Hysterangium nämlich zeigt nach E-ehsteiners Untersuchungen in einem entsprechenden Schnitte zwar auch den in eine grosse Anzahl von Zweigen gespaltenen Centralstrang, aber derselbe ist ganz und gar, auch auf den Zweigen, mit einer Pallisadenschicht überdeckt, welche den Anfang des Hymeniums bekundet. Das Zwischengefiecht fehlt dort. Es ist dort eine vollständige Trennung zwischen Centralstrang und Peridie durch die Pallisadenschicht herbeigeführt und erst später müssen die äussersten Enden der vorwachsenden Centralstrang- zweige (Tramawülste) nachträglich wieder durch hyphenartiges Auswachsen einiger Basidienanlagen eine Verbindung mit der Peridie herstellen. Hier bei Protubera bleiben die, übrigens weniger zahlreich auftretenden, Centralstrangzweige mit der Peridie stets in Verbindung, und das gleiche Verhalten werden wir auch bei Clathrus wiederfinden, wo die Anzahl der Centralstrangzweige noch weiter zurückgeht. Von einer Pallisadenschicht ist im Zu- stande der Figur 2 noch nichts zu sehen. Vielmehr treffen wir die erste Hymeniumanlage erst in der Figur 3 an. Wir sehen, dass hier die Enden der Centralstrangzweige sich verbreitert haben, sie zeigen deutlich gallertige Beschaffenheit und bilden die erste Anlage der späteren Volvagallerte genau in der Weise, wie wir es noch bei Clathrus kennen lernen werden. Das Zwischengeflecht wird weiterhin allmählich zusammen- gedrückt. An seinem Grunde und in den Winkeln zwischen den Centralstrangzweigen, bei cp in der Figur, tritt die erste Hyphen- pallisade in die Erscheinung, welche später zum Hymenium wird. Hier auch entsteht bei weiterem Wachstum der erste Hohlraum, die erste Glebakammer, welche vom Hymenium ausgekleidet wird. Alle diese Verhältnisse stimmen mit den für Clathrus beobachteten aufs genaueste überein. Nun aber würden wir bei Clathrus in
dem entstandenen Hohlräume, tp gegenüber, am Ende des Zwischen-
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geiiechts die erste lleceptaculumanlagc zu uiwaiten haben. Ihr Platz ist bei Protubera deutlich kenntlich, aber die Anlage tritt nicht auf; hier liegt der durchgreifende Unterschied beider
Formen.
Das weitere AYachsthum des Fruchtkörpers verfolgen wir an den Figuren 4 und 5, welche nur noch Theile je eines Längs- schnittes zur Anschauung bringen. Wir bemerken, wie die Central- strangzweige nach aussen sich weiter verlängern und verbreitern, das Zwischengeflecht allmählich zu Platten (Fig. 4 A) zusammen- drückend, dabei stark vergallerten und zur Volvagallerte G werden. Aus dem zusammengedrückten Zwischen geflecht A entstehen im weiteren Verlaufe eben jene Wände, welche die Volva durchsetzen, und die schon oben bei Beschreibung des reifen Fruchtkörpers erwähnt wurden. Der Vergleich der Figuren 4 u. 5 erläutert dies näher. Weiter rückwärts, nach innen zu, verbreitern sich die Cen- tralstrangzweige nicht in demselben Maasse, wie dicht unter der Volva, hier entsteht vielmehr in Folge ihres Längenwachsthums aus dem anfänglich winzigen Hohlräume, q) gegenüber (Fig. 3), ein grös- serer länglicher Kammerraum (Fig. 4), dessen Wände sich von (p aus allmählich mit der Hyphenpallisade auskleiden, die nachher das Hymenium bildet. In dem freien Räume der so entstehenden Glebakammern finden sich lockere allmählich zerreissende Ueber- reste des Zwischengeflechts. Weiterhin entstehen von den Wänden der Kammer aus Wülste und Vorragungen in das Innere hin- ein (Fig. 5), welche sich wiederum spalten und theilen und all- mählich zu dem labyrinthischen Gewirre der reifen (lleba aus- wachsen.
Bei Hysterangium nehmen die gallertigen Platten, die Zweige des Centralstranges, auch im reifen Fruchtkörper einen verhältniss- mässig breiten Raum ein, die Glebakammern erscheinen gewisser- maassen in eine den ganzen Fruchtkörper aufbauende Gallertmasse eingebettet, während bei Clathrus jene Platten von der heran- wachsenden Gleba bis beinahe zum Verschwinden zusammen-
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gedrückt werden. In diesem Betracht nun steht Protubera wieder zu Hysterangium. Indessen ist dies Verhältniss der Massen von Glebakaramern zu Gallertwänden ein ausserordentlich schwanken- des. In manchem Fruchtkörper erscheinen auf einem Längs- schnitte dunkle Glebaflecke auf weissem Grunde, in anderen hin- wiederum bilden die Gallertlinien nur schwache Wände zwischen den überwiegenden Massen der Glebakammern. Die gallertige Grund- masse am Boden der Fruchtkörper jedoch, jener zuerst angelegte Grundstock des Centralstranges, bleibt stets erhalten. Man sieht ihn von dunkleren, strahlenförmig vom Mycelansatz ausgehenden Linien durchzogen, die auch auf der Figur 6 angedeutet worden sind. Diese Strahlen bezeichnen lediglich Bündel etwas enger zu- sammenschliessender Hyphen.
Wenn auf dem Wege vergleichend morphologischer Unter- suchung der verwandtschaftlichen Beziehung heut lebender Or- ganismenformen nachgespürt wird, so finden sich nur zu oft Lücken in den für lange Strecken klar verfolgbar an einander schliessenden Reihen. Das natürliche Bedürfniss des Forschers erfordert, diese Lücken auf Grund der zur Verfügung stehenden Kenntnisse nach Möglichkeit zu schliessen, durch die von der Wirklichkeit geleitete Phantasie die fehlenden Zwischenglieder zu ergänzen. Nicht immer kann hier volle Sicherheit in der Be- urtheilung erlangt werden. Keine grössere Genugthuung aber, keinen bessern Beweis für die Richtigkeit der angewandten For- schungsmethode kann es geben, als wenn nachträglich in der Natur noch lebend vorhandene Zwischenformen gefunden werden, genau von der Beschaffenheit, wie sie voraus vermuthet worden waren. Einen solchen Fall haben wir an Protubera erlebt. Wenn wir auf Grund der für Hysterangium und Clathrus bekannten That- sachen im Geiste allmählich vervollkommnend die erste Form zur andern überführen, so kommen wir mit Nothwendigkeit zu dem Bilde der Vorstellung, welches durch Protubera plötzlich in die Wirk- lichkeit versetzt ist. Wenn bisher die Palloideen vereinzelt standen
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im Pilzreicb, und zu keiner anderen Gruppe von ihnen aus ein sicherer Uebergang leitete, so sind nun wenigstens die Clathreen mit voller Sicherheit auf niedere receptaculumlose Formen zu- rückgeführt.
Es ist vielleicht möglich, dass durch genauere Untersuchung des kürzlich von ßowland Thaxter (Botanical Gazette Vol. XVIII PI. IX) besprochenen Pallogaster saccatus noch weitere Auf- klärung könnte gewonnen werden über die Stammformen der Clathreen. Nach den bisher mitgetheilten Thatsachen ist irgend ein zuverlässiger Schluss nicht möglich, da über den wichtigsten Punkt, die erste Anlage und die weitere Entwickelung der Gleba bei Phallogaster die Untersuchung noch keinen Aufschluss er- geben hat.
2. Clathrus chrysomycelinus nov. spec.
Clathrus chrysomycelinus, dessen äussere Gestalt in voll ent- wickeltem Zustande durch die Figuren Taf. II, 1. u. 2 und Taf. III 1 b zur Anschauung gebracht wird, ist mir von drei verschiedenen Standorten in den Wäldern der Umgegend Blumenaus bekannt geworden. Seine Mycelien durchziehen die Humusdecke des Waldbodens. Sie weichen von allen bisher beobachteten Palloideen- mycelien durch ihre goldgelbe Färbung ab, und der Pilz hat des- halb den Namen chrysomycelinus erhalten. Bringt man die Mycelien in Spiritus, so nimmt die Flüssigkeit die schöne hell- goldgelbe Färbung an, welche eine Lösung von Goldchlorid zeigt, so genau, dass wenn man eine solche Lösung in entsprechender AVeise verdünnt, auch das schärfste Auge keinen Unterschied gegen den von unserem Clathrus gefärbten Alkohol wahrnehmen kann. Die Mycelstränge erreichen keine bedeutende Stärke, wohl kaum über 2 mm ; sie sind aber sehr reich verzweigt und ver- . ästelt, und breiten sich weit im Boden aus. An der einen meiner Fundstellen waren sie auf einer mehrere Quadratmeter grossen
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Fläche verbreitet. Stösst ein Strang auf ein welkes, noch nicht ganz verwestes Blatt, so sehen wir, wie er sich alsbald auflöst, und als Ueberzug das Blatt bedeckt ; strahlenförmig verbreitet er sich von der Berührungsstelle, anfänglich in Gestalt einer Haut, dann immer dünner werdend, und schliesslich sich auflösend in dünne Stränge und endlich in einzelne Fäden. Das in dieser Weise vollkommen bis zu den feinsten Verzweigungen übersicht- lich angeordnete Mycel, welches in der Mitte an den stärksten Stellen noch die goldgelbe Farbe des Stranges zeigt, nach dem Rande aber schneeweiss ist, gewährt einen wunderschönen Anblick. Mit einer Pincette lassen sich grosse Theile desselben von dem Blatte leicht abheben , und in Wasser übertragen , so dass sie mikroskopischer Betrachtung zugänglich werden. So weit ich sehen konnte, kommen an den 2 — 5 (.t starken Fäden Schnallen nicht vor, wohl aber zahlreiche Fadenbrücken (Fusionen). Reich- lich sind die Fäden mit den bekannten Kryställchen der Länge nach besetzt, und in grossen Mengen finden sich die blasig auf- getriebenen Fadenanschwelluugen, welche von einer kugligen Krystallmasse von Kalkoxalat angefüllt sind. Löst man dasselbe auf, so erkennt man leicht und deutlich, dass die kuglige Blase nur die Anschwellung eines Fadens darstellt. Diese krystall- führenden Blasen sind bei unserem Clathrus so reichlich vorhanden, dass sie besonders in der Rinde der Stränge sich gegenseitig drän- gen und für flüchtige Betrachtung stellenweise ein parenchy- matisches Gewebe vortäuschen können.
Morsches zerbröckelndes Holz wird von dem Pilze ganz und gar durchwuchert. Bringt man Myceltheile mit dem Boden, den sie durch- ziehen, auf einem Teller unter eine feuchtgehaltene Glocke, so wachsen aus den durchrissenen Stellen der Stränge Büschel feiner weisser Mycelfäden in die Luft. Man kann diese abreissen und in Nährlösung übertragen, wo sie auf dem Objektträger leicht weiterwachsen. Ich hielt solche Kulturen viele Wochen lang und beobachtete die Anlage von Strängen, welche sehr bald auch auf
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dem Objektträger die charakteristische gelbe Färbung, wenn auch in schwächerer Schattirung, als am natürlichen Standorte zeigten. Hier wo jeder Faden einzeln verfolgt werden konnte, bestätigte es sich, dass Schnallen nicht vorkommen. Irgend welche Neben- fruchtformen traten in keiner der mehrere Wochen hindurch unterhaltenen Kulturen auf.
Im Bau der stärkeren Mycelstränge macht sich eine auf- fallende Aehnlichkeit mit den für Protubera Maracujä beobach- teten geltend. Nur die goldgelbe Farbe und geringere Stärke bilden einen Unterschied. Die krystallführenden Blasen sind wo- möglich noch zahlreicher hier, als in dem vorigen Fall, sie bilden rings um den Strang eine dichte Schicht von ungefähr 150 n Dicke, über welche hinaus noch ein kurzes Grewirr von Faden- enden hervorragt. Die krystallführenden Blasen kommen ferner hier auch im Innern des Stranges vor. jedoch nicht zer- streut, sondern in platten artigen Schichten, welche ebenfalls in der Längsrichtung verlaufen und auf dem Querschnitte bisweilen den Strang förmlich halbiren. Auch freie Krystalle finden sich zahlreich an den Fäden. Die dünnen Hyphen des Markes zeigen denselben wellig geschlängelten Verlauf wie bei Protubera, bisweilen scheinen sie auf längere Strecken hin spiralig gedreht, ringsum zu verlaufen. Es kommen auch hier jene für Protubera (Seite 14) beschriebenen, bis 7 ,a starken, dunkler gefärbten, unver- zweigten Schlauchzellen vor. welche gleich fremden Körpern im Strange liegen. Sie sind, nicht so deutlich wie dort, an den Enden kopfig angeschwollen. Im übrigen aber gilt alles dort gesagte auch hier. Die Fruchtkörper entstehen, wie in allen anderen Fällen als kuglige Anschwellungen an sehr dünnen Mycelsträngen. Indem sie heranwachsen, nimmt auch der wurzelartige Strang an Dicke zu. Jeder Fruchtkörper sitzt nur an einem Strange. Die her- anwachsenden Eier sind anfangs ganz weiss, später nehmen sie eine graue Farbe an, besonders in ihrer oberen Hälfte, der Scheitel wird bisweilen fast schwarz. Die Entwickelung eines
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Eies dauert, so weit meine Beobachtungen reichen, jedenfalls mehrere Wochen. Die Eier behalten bis zur Reife annähernd Kugelgestalt. Sie erreichten in den beobachteten zahlreichen Fällen nie mehr als 2 cm Durchmesser, — Ich verfolgte mehrere Eier, die genau bezeichnet waren, am natürlichen Standorte, und hier machte ich oftmals die schon in der Einleitung erwähnte unange- nehme Erfahrung, dass ein noch nicht reifes Ei von einem zum anderen Tage ganz plötzlich verschwunden, wahrscheinlich wohl von einem Thiere gefressen war.
Zwei nahezu reife Eier hatte ich anfangs August 1891 in eine grosse Glasschale verpflanzt und zur Beobachtung ins Zimmer gebracht. Am 13. August 1890 morgens ^'48 wurde an dem einen der beiden das Platzen der Volva bemerkt. Die Volva reisst durchaus unregelmässig auf, bei jedem Stück in anderer Weise. Die Streckung der Receptaculumäste geht, nachdem die Volva geplatzt ist, in der Richtung von oben nach unten ziemlich schnell von statten. Der gesammte Streckungsvorgang dauerte in dem genau beobachteten Falle von ^'^S bis 11 Uhr. Die obersten Maschen des Receptaculumgitters waren zuerst fertig. Die Gitterstäbe, welche je eine Lücke umgrenzen, strecken sich nacheinander. Jedesmal wird natürlich durch eine solche Streckung das ganze Gebilde in ruckweise zitternde Bewegung gesetzt. Der fertige Pilz, den unsere Figur Taf. II, 1 darstellt, hatte die Höhe von 5 cm, während das Ei nur l^/^ cm Durchmesser gehabt hatte. Das fertige gestreckte Receptaculum hat im ganzen entschieden kuglige Gestalt, die Maschen sind fünf- bis sechseckig und im oberen Theile, wie auch die Bilder erkennen lassen, ziemlich regelmässig. Die unteren zeigen eine Neigung zur Längsstreckung. Das ganze Receptaculum erhebt sich auf gewöhnlich acht Säulen, welche aus der Volva aufstreben, und welche in ihrem unteren Theile vollkommen stielartig mit einander verschmolzen sind. Sämmtliche Gitteräste lassen eine Schwache, rinnige Rückenfurche deuthch erkennen. Sie sind ohne Ausnahme einfach röhrig und
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ihre Wände sind auch im vollentwickelten Zustande nicht ganz glatt, sondern etwas querrunzelig gefältelt (s. d. Figuren). In Über- einstimmung mit dem einkammerigeu Bau der Aeste ist auch der Stiel aus einer einzigen Lage von Kammern mit sehr dünnen Wänden gebildet. Kleine Löcher in den AVänden der Recepta- culumäste finden sich überall unregelmässig vertheilt, man erkennt auch auf der Figur solche. Die Aeste sind undeutlich dreiseitig- prismatisch und so angeordnet, dass eine Seite des Prismas nach aussen, eine Kante nach der Mitte zeigt. Die Länge des Stiels ist unbestimmt, bei den einzelnen Stücken verschieden. Einen mittleren Fall stellt die Figur 1 der Taf. II, dar. Der längste beobachtete Stiel hatte 1^/., cm Länge. Am Grunde der geplatzten Volva, da wo der Strang einmündet, findet sich auf der Innenseite ein kleines, nahelartiges, spitzes Bündelchen von Hyphen, welches nichts anderes darstellt, als den Rest vom Grundgewebe (Centralstrang) , um welchen herum der Stieltheil des Receptaculums sich gebildet hat. Ein ganz ähnliches Gebilde in etwas stärkerer Entwickelung ist das von Cavalier und Sechier in ihrer ersten Beschreibung und Abbildung des Colus hirudi- nosus (Ann. sc. nat. II serie. Tome III, Taf. VIII A Fig. 4, Seite 253 ff.) mehrfach erwähnte pistillartige Säulchen am Grunde der Volva.
Schliessen wir uns ganz wörtlich an die von Ed. Fischer ge- gebenen GattuDgscharakteristiken an, welche Colus und Clathrus wesentlich als gestielte und nicht gestielte Formen aus ein- ander halten, so würden wir unsern Pilz seines Stieles wegen als Colus zu bezeichnen und in die Nähe von Colus Mülleri Ed. Fischer zu stellen haben. Ich werde später noch auf diesen Punkt zurückkommen und die Gründe auseinander setzen, um derentwillen ich die vorliegende Art bei Clathrus belassen zu sollen meinte.
Überall da, wo die rein weissen zarten Gitteräste des Re- ceptaculums sich in den Winkeln vereinigen, sehen wir eine weisse
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Receptaculumkammer nach innen vorragen (sehr schön links in Taf. II Fig. 1 zu sehen) und an dieser ansitzend ein rundes kugliges Knöpfchen von schmutzig-grünlicher Farbe, die einzelnen Glebatheile. Die Gleba ist an dem entwickelten Receptaculum nur auf die Stellen be- schränkt, wo die Gitteräste zusammen stossen, auf die Ecken des Maschennetzes (s. die Figuren). Diese höchst regelmässige Ver- theilung der Gleba am reifen Fruchtkörper bildet ein nicht ganz unwesentliches Merkmal der Form, es unterscheidet sie z. B. wesentlich von Gl. cancellatus, bei dem die Gleba die ganze Innen- seite der Receptaculuraäste bedeckt. Wir werden weiter noch wieder- holt darauf aufmerksam werden, dass die Vertheilung der Gleba am reifen Fruchtkörper bisher bei der Beschreibung und Unter- scheidung der Clathreenformen zu wenig Beachtung gefunden hat. Der Grund dieser Thatsache ist indess sehr leicht erklärlich; denn nur an dem ganz frischen, eben gestreckten Fruchtkörper ist die Gleba in ihrer natürlichen Anheftungsweise noch sicher zu erkennen. Die Dauer eines Clathrus von so zartem Bau, wie der unsere, ist aber natürlich nur sehr kurz. Schon nach wenigen Stunden sinkt das Receptaculum zusammen, die flüssigwerdende Gleba tropft ab und beschmutzt beliebige Stellen des welkenden Receptaculums. An. einem alten Exemplar ist es dann kaum mehr möglich, eine sichere Vorstellung von dem Aussehen des frischen Fruchtkörpers zu gewinnen. Aus diesem Grunde eben legte ich besonderen Werth auf photographische Abbildung. Man kann Bilder, wie die beigegebenen, nur erhalten, wenn man den Streckungs- vorgang im Zimmer sich unter den Augen des Beobachters vollziehen lässt und die Abbildung macht, sobald er vollendet ist. Nie gelang es mir, im Freien einen unversehrten Fruchtkörper zu finden, stets waren da einige Netzmaschen schon zerrissen und die Gleba in flüssigem Zustande. Wenn es aber auch ge- länge, ein ganz frisch entfaltetes Exemplar im Freien anzutreffen, so würde doch wieder ein Transport zum photographischen Apparat
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unmöglich sein, ohne das überaus zarte Gebilde, welches keine noch so leichte Erschütterung verträgt, zu beschädigen.
Die Gleba des Pilzes verbreitet einen sehr unangenehmen, indess nicht übermässig starken Geruch nach verdorbenem Leim, fast genau denselben Geruch, wie der weiterhin zu betrachtende Ithyphallus glutinolens. Die Sporen sind 4 /i lang, 1 — l'/s ^(^ breit, und in mehreren Fällen gelang es mir, acht Sporen auf der Basidie zu zählen. Es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass dies die normale Zahl ist.
Die Entfaltung des Receptaculums scheint bei dieser Form an bestimmte Tageszeit nicht gebunden zu sein. Wenigstens habe ich sie in einem genau geprüften Fall am Morgen und in einem andern am Abend beobachtet.
Reiches Material an Eiern in allen Grössen setzte mich in den Stand, die Entwicklung der Fruchtkörper genau zu verfolgen. Sie schliesst sich in den Hauptzügen, wie wohl zu erwarten war, eng an die von Fischer (1890) für Clathrus cancellatus gegebene an. Ich konnte indessen noch jüngere als die jüngsten von Fischer beobachteten Zustände beobachten. Der Einfachheit halber benutze ich wieder bei den Zeichnungen dieselben Buch- staben, welche Fischer angewendet hat, in entsprechender Be- deutung. So sehen wir in dem jüngsten beobachteten Fruchtkörper, Fig. 7, Taf. VI die Rinde, wie bei Clathrus cancellatus als Fort- setzung der Rinde des Mycelstranges. Unter derselben folgt das Zwischengeflecht Ä, und in der Mitte, als Fortsetzung des Markes des Mycelstranges der Centralstrang S. Das Bild unterscheidet sich von den jüngsten Fischerschen Stadien von Clathrus cancellatus (s. Fischer 1890, Taf. 1, Fig. 1) dadurch, dass der Centralstrang noch keine Zweige ausgebildet hat, ferner dadurch, dass das Centrum des Centralstranges heller aussieht, als die ihn umgebende dunklere Schicht, welche allmählich zum Zwischengeflecht überführt. Das Centrum des Centralstranges zeigt bereits den Beginn der Ver- gallertung. Die Neubildungen treten in der dunkleren Rinde des
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Centralstranges, in SS auf. An dieser sehen wir in der nächsten Figur (8) Erhebungen von Hyphenbündeln auftreten, welche als Fortsetzung des Centralstranges erscheinen, aber noch nicht bis zur Rinde reichen.
Es sind dies die Centralstrangszweige Fischers P^ ; die Fig. 8 entspricht etwa seiner Figur 1 (1890, Taf. 1) von Clathrus cancel- latus. Während in diesem Zustande die zwischen den Central- straiigzweigen liegenden Theile des Zwischengeflechts A den Haupttheil des Eaumes einnehmen und gleichsam wie durch Wände durch die Centralstrangzweige getrennt werden, so ist dies Verhältniss gerade umgekehrt in dem nächsten durch Fig. 9 dargestellten Zustande, welcher über Fischers Fig. 2 a. a. O. vielleicht schon ein klein wenig hinausgeht. Die Centralstrangzweige haben sich in Richtung der Länge und hauptsächlich in die Breite aus- gedehnt, und das Zwischengeflecht zu den Zwischengeflechtsplatten PI zusammengedrückt. In G, also im Innern der Erweiterungen der Centralstrangzweige vergallerten die Hyphen bereits deutlich. Hier vollzieht sich die Anlage der Volvagallerte. Die erste An- lage der Hymenienschicht erfolgt bei ff. Alle diese Vorgänge erinnern uns unwillkürlich an die für Protubera beschriebenen. Bei ff entsteht nun ein Hohlraum, die erste Glebakammer, welche von dem Hymenium ausgekleidet ist, und in die hinein von den Centralstrangzweigen aus alsbald AVülste wachsen und die be- kannte labyrinthisch verwirrte Phalloideengleba erzeugen, cp gegen- über aber, am Ende des Zwischengeflechts, tritt ein Knäuel enger, verwirrter Hyphen auf, der sich alsbald mit einer Schicht pallisadenartig angeordneter Hyphenenden umkleidet, die Anlage der ersten Receptaculumkammer. Für die näheren Einzelheiten über die Herausbildung des Pseudoparenchyms in den Recepta- culumwänden verweise ich auf Fischer (1890). Die betreffenden Vorgänge sind in unserm Falle genau die gleichen.'*") Jene erste,
*) Nach Abschluss der Niederschrift habe ich Gelegenheit gehabt, die im Oktober 1894 zu Boston in den Memoirs of the Boston Society of Na-
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(p gegenüber angelegte Receptaculumkammer erlangt nun bald eine auf dem Schnitte dreieckige Gestalt. Ihr gegenüber aber vergrössert sich die erste Glebakammer und füllt sich mit den allmählich vorstossenden Wülsten der Gleba (Fig. 10). Machen wir nun recht verschiedene Schnitte durch die junge Gleba, nur so, dass immer jene erste dreieckige Receptaculumkammer ge- troffen wird, so sehen wir, wie die Wülste und Falten der Gleba im allgemeinen von allen Seiten des Raumes strahlenförmig auf jene Receptaculumkammer zu sich richten.
Wir haben für Protubera gesehen und wissen aus Fischer's Untersuchungen für Clathrus cancellatus, dass die allmählich sich kräftiger ausbildende Yolvagallerte durch die zusammengedrückten Platten des Zwischengeflechtes in Fächer getheilt wird. Genau dasselbe trifft bei unserm Gl. chrysomycelinus zu. Diese Platten des Zwischengeflechts verlaufen sämmtlich radial und stossen in radial gerichteten Kanten zusammen. Solcher Kanten giebt es so viele, als später Ecken der Netzmaschen vorhanden sind. Gerade nun an den Enden jener Kanten, nach innen zu, gegenüber der ersten Glebakammer, werden jene dreieckigen Receptaculum- zellen angelegt, die wir eben besprochen haben. Diese stehen
tural History veröö'entlichte, mit ausgezeichnet schönen Tafeln ausgestattete Arbeit des Herrn Edward A. Burt über Anthurus borealis Burt kennen zu lernen. Herr Burt giebt hier für das ßeceptaculum und seine Kammern eine wesentlich andere Entstehungsweise an, als Ed. Fischer für die von ihm unter- suchten Formen. Ohne der Untersuchung des Herrn Burt zu nahe treten zu wollen, kann ich nur hervorheben, dass ich bei allen von mir untersuchten Phalloideen (bei Aporophallus und Blumenavia habe ich die betreffenden Jugend- zustände nicht untersuchen können) die von Fischer eingehend geschilderte Entstehungsweise aus Knäueln, welche sich mit Pallisadenhyphen umgeben, bestätigt gefunden habe. — Auffallend ist in der Burt'schen Arbeit noch die (Testalt der in Figur 11 abgebildeten Basidien. Aehnliche Bildungen hat, so- viel ich aus den Veröffentlichungen sehen kann, Fischer bei keiner seiner zahlreichen Phalloideenuntersuchungen bemerkt, und auch ich habe bei keiner der hier zu schildernden Formen ähnliches gesehen. Vielmehr fand ich überall dieselbe, längst bekannte und oftmals beschriebene und abgebildete Form der Phalloideen-ßasidien.
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zunächst also nicht miteinander in Verbindung, sondern liegen einzeln, verhältnissmässig tief im Fruchtkörper. Rings um sie herum und von allen Seiten des Raumes her strahlenförmig auf sie zu gerichtet, entstehen die Falten der Gleba (Fig. 10). Oftmals (s. dieselbe Figur) können wir Stellen beobachten , wo ein vor- wachsender Glebawulst bis an die Receptaculumanlage heranreicht. Dann nimmt seine Spitze an der Bildung des Pseudoparenchyms der Receptaculumkammerwand Antheil, und an seinem Umfange sehen wir den allmähligen Übergang von pallisadenförmigenHyphen, welche zu Pseudoparenchym werden, zu denjenigen, die das Hymenium erzeugen. Fischer hat auch diese Verhältnisse aus- führlich erläutert. Er meint, man müsse das Pseudoparenchym wesensgleich mit derHymenialschicht setzen und man könne sich vor- stellen, dassersteres entstehe, wenn für die sich drängenden Hyphen- pallisaden nicht genügend Platz vorhanden wäre, während Hyme- nium dort zu Stande käme, wo Raum zur Bildung der Basidien und Sporen geboten würde. Wenn es nun auch richtig ist, dass Pseudoparenchym aus ununterscheidbar gleichen Hyphenpallisaden sich bildet, wie das Hymenium, so ist doch die Fischersche Auf- fassung wohl nur sehr hypothetisch zu betrachten ; denn im Innern der faltenreichen Gleba finden wir oft Stellen, wo die Pallisaden- schichten sich enge aneinander schmiegen müssen, und doch ent- steht hier niemals Pseudoi)arenchym.
Auch machen gewisse von Fischer selbst (1890 p. 20 ff.) ge- schilderte Vorgänge in der Eutwickelung von Kalchbrennera jene Auffassung nicht eben wahrscheinlicher. Dort werden nämlich an drei Seiten der Centralstrangzweige glebaerzeugende Tramaplatten gebildet, während an der vierten Receptaculumtheile entstehen, ohne dass ein Grund vorhanden ist, anzunehmen, es sei an der vierten Seite weniger Platz vorhanden, als an den drei anderen. Es schien mir nothwendig , hierauf hinzuweisen , weil der von Fischer mit allem Vorbehalte aufgestellte Satz: „es ist das Receptaculum eine Glebapartie, bei welcher die Basidien wegen
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liaummangel nicht zur Entwickelung kommen" in allerletzter Zeit wie ein sicher erwiesener Lehrsatz behandelt worden ist (vergl. L. Rabinowitsch; Flora 1894).
In dem Maasse, wie der Fruchtkörper zunimmt, vergrössert sich die Gleba, die Wülste und Falten streben nicht mehr nur von innen auf die dreieckigen ßeceptaculumkammern zu, sondern bald auch von den Seiten her, und endlich sogar schräg von oben oder aussen her. So wird jene Receptaculumzelle allmählich immer tiefer in die Glebaparthie, deren Centrum sie bildet, hineinversenkt (Fig. 11 Taf.VI). Ausserhalb jener an die Tetraederform sich an- nähernden Receptaculumkammer bilden sich nun alsbald auch die Anlagen der langröhrenförmigen Kammern aus, welche später die Stäbe des Netzgitters bilden (Fig. 10 u. 11. Ep.). Ihre Bildung ist in nichts verschieden von der auch sonst für Receptaculumkammern bekannt gewordenen. Sie treten in unmittelbare Verbindung mit den ersterwähnten nach innen vorspringenden und nur an den Ecken des Netzes vorkommenden mehr isodiametrischen Kammern, welche sie von aussen berühren und miteinander in Verbindung setzen (Rp. Fig. 11). Im Verlauf ihrer weiteren Ausbildung falten sich ihre Wandungen zickzackförmig ein. Den Beginn der Faltungen stellt die Figur dar. Durch die Glättung dieser Falten, welche jedoch nie ganz vollständig wird, wie oben schon ange- deutet ist, kommt die Streckung des Receptaculums zu Stande.*) Nie und an keiner Stelle tritt die Gleba mit diesen röhren- förmigen Receptaculumkammern oder vielmehr mit ihren Wänden, in irgendwelche unmittelbare Berührung. Stets bleibt zwischen
*) Dass bei der Streckung des Receptaculums nicht eine Gasaussclieidung ins Innere der Kammern, wie de Eary wollte, als treibende Kraft angesehen werden kann, aus dem einfachen Grunde, weil die Kammerwände Löcher haben, hat Ed. Fischer in den Mittheilungen der naturforschenden Gesell- schaft in Bern schon 1887 klar auseinandergesetzt. Trotzdem findet sich in der im Vorwort erwähnten Arbeit von Fulton (Annais of Botany 1889/90 Seite 209) die alte, auf unhaltbarer Spekulation beruhende Luftidee wieder als verbürgte Thatsache aufgeführt.
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beiden Elementen eine Schicht gallertiger Hyphen als trennende Wand erhalten. Zwar wird nun mit weiterem Wachsthum der Grieba allmählig auch die Anlage des Receptaculumnetzes in die Gleba hineinversenkt. Und wenn wir ein annähernd reifes Ei sorgfältig abschälen, die Volva vollständig entfernen, so sehen wir das Receptaculumgitter gleichsam eingelegt in die bräunlich- grünliche Glebamasse (Fig. 12). Indessen überzeugt uns auch hier ein Blick mit der Lupe schon, dass eine Verbindung und Berührung der Gleba mit den Gitterstäben des Netzes nirgend eingetreten, vielmehr die trennende Gallertschicht überall erhalten geblieben ist.
Es ist nun klar , wie es kommt , dass die Gleba bei der Streckung des Receptaculums in annähernd gleichgrosse Klümp- chen vertheilt, an den Ecken des Netzes fest haftet. Sie besteht aus einer Reihe von gesonderten Abtheilungen, deren jede strahlenförmig um eine der an den Ecken liegenden dreieckigen Receptaculumkammern herum angelegt ist. Die einzelnen Partien sind von einander getrennt durch die allmählich verlängerten und stark zusammengedrückten Centralstrangzweige P^ (Eig. 11), welche gallertig geworden sind, und in denen die Trennung der Gleba bei der Reife des Fruchtkörpers erfolgt. Diese Centralstrang- zweige sind im reifen Fruchtkörper zu gallertigen Wänden geworden, welche die einzelnen Glebaabtheilungen sackartig umschliessen. Da sie in Folge des gegenseitigen Druckes ganz unregelmässige Gestalt angenommen haben, so ist es nicht verwunderlich, dass sie auf einem Schnitt, wie der in Fig. 11 dargestellte ist, nicht überall, also z. B. nicht in der Mitte zwischen den beiden vor- springenden Kammern ganz deutlich erkennbar sind, obwohl natürlich auch dort eine solche Scheidewand durch den Schnitt mit Nothwendigkeit getroffen sein muss. Rechts und links im Bilde bei P^ sind die zu dünnen Wänden gewordenen Central- strangzweige indessen zweifellos erkennbar. Besonders deutlich und meist schon mit blossem Auge sichtbar erscheinen sie, wenn
Scliimper's Mittheiluugeu Heft 7. 3
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wir, wie oben bereits geschehen, ein nahezu reifes, von der Volva ent- blösstes Ei von aussen besehen. Die Figur 12 stellt halb schematisch eine Netzmasche in dieser Ansicht dar. Hier zeigen sich die Enden der zu AVänden gewordenen Centralstrang- zweige als dunkle Linien, welche die in gekröseartigen Windungen angeordnete Gleba in Felder theilen. üeber den ganzen Frucht- körper bilden diese dunklen Linien ein Netz, entsprechend dem ßeceptaculuranetz, aber in derart verschobener Anordnung, dass seine Balken die des andern Netzes kreuzen , und seine Ecken in die Mitte der Felder des Receptaculumnetzes fallen.
Zum Schlüsse müssen wir noch einmal auf die Figur 10 zurück- greifen, an der eine, auch noch bei andern Clathreen häufige, so weit ich aber weiss, nicht beschriebene Eigenthümlichkeit der die Volva durchsetzenden Scheidewände zum Ausdruck kommt. Wir wissen, dass diese Scheidewände durch die Gallerte der Volva hindurch das Receptaculum mit der Rinde verbinden , dass sie aus dem bereits in den jüngsten Fruchtkörperanlagen angelegten Zwischen- geflecht /l ihren Ursprung nehmen. Die Kante, in welcher sie die Receptaculumäste berühren, ist an den letztern durch die eingangs erwähnte Rückenfurche bezeichnet. Ursprünglich ver- laufen nun diese Zwischengeflechtsplatten regelmässig radial. Bei der Grössenzunahme der Fruchtkörper aber werden sie, wie dies ausnahmslos an allen untersuchten Stücken zu beobachten war, stark verbogen, sodass sie mitunter sogar geschlängelten Verlauf nehmen (Fig. 10). Diese auch bei allen andern Clathreen be- obachtete (z. B. Fig. 19 Taf. VII.) *) Eigenthümlichkeit der Zwischen- geflechts])latten ist nur dadurch zu erklären, dass in ihnen inter- calares Wachsthum stattfindet, und zwar stärkeres als nöthig wäre, um die gerade radiale Verbindung der Receptaculum- äste mit der Rinde aufrecht zu erhalten. Die dünnen, sich der-
■*) M:m verg^leiehe auch die schöne Zeichnung Nr. 18 von A. Hurt a.a. U. über AnthuruR borealis Hurt.
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art in der Fläche vergrössernden Scheidewände werden in Folge dessen innerhalb der weichen, entweder nachgebenden, oder vielleicht auch drückenden Volvagallerte hin- und hergebogen. Ausserdem mag noch hinzukommen, dass die Volvagallerte nicht in demselben Maasse in den letzten Stadien der Ausreifung sich vergrössert, wie die in ihrem Innern liegende Fruchtkörper- anlage, dass sie also bei deren schneller Wachsthumszunahme zwischen ihr und der Peridie zusammengepresst wird, wodurch dann natürlich eine Verbiegung der Theilungswände herbeigeführt werden würde.
Diese Theilungswände der Volvagallerte spielen eine gewisse ßolle beim Platzen des Eies. Es kommt nicht selten bei Cla- threen vor, dass die Volva in regelrechten Lappen sternförmig auf- reisst. und in diesen Fällen wird man finden, dass die Zerreissungs- linien mit den Zwischenwänden zusammenfallen. Bei keiner der beobachteten Formen ist aber dies gerade Aufreissen die Regel. Vielmehr zerreisst meistens die Volva unregelmässig und ich glaube, dass gerade die so häufige Verbiegung und Verzerrung jener Theilungswände die Ursache dafür ist, dass sie nicht immer als Linien des Zerreissens auftreten können.
3. Colus Garciae nov. spec.
Die kleinste und zarteste der bei Blumenau beobachteten Phalloideenformen ist der Colus Garciae, den unsere Abbildung (Taf. IV Fig. 2) in natürlicher Grösse darstellt. Dieser Pilz wurde am 30. Oktober 1892 von Herrn Erich Gärtner zuerst ge- funden an einer feuchten Stelle des dicht beschatteten Waldbodens in einem der zur Garcia abfallenden Seitenthäler. Die Garcia ist ein Nebenflüsschen des Itajahy, welches gerade beim Stadtplatz Blumenau in den HauptÜuss sich ergiesst. An eben derselben
Fundstelle wurden im Laufe der Zeit noch mehrere Fruchtkörper
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und auch die zur Beurtlieilung des Entwickelungsganges notli- wendigen Eistadien gesammelt. Dagegen haben wir den Pilz nirgends sonstwo wieder gefunden. Unser Colus hatte in dem grössten beobachteten Stücke nur eine Gesammthöhe von 5 cm. Die Volva ist aussen grauweiss gefärbt; sie zerreisst unregel- mässig. In einem Falle beobachtete ich, dass sie regelmässig in drei Lappen aufgerissen war, welche mit den drei Receptaculum- ästen abwechselten. Hier waren also ausnahmsweise die von jenen Aesten aus die Volva durchsetzenden Scheidewände für die Form des Aufreissens maassgebend gewesen. Aus der Volva er- hebt sich das reinweisse Receptaculum. Seine untere Hälfte stellt eine dünne, glatte, überaus zarte Röhre dar, deren Wände nicht, wie man auf Grund der bisher bekannten Formen erwarten dürfte, einen kammerigen Aufbau zeigen , sondern einfach aus wenigen pseudoparenchymatischen Zelllagen gebildet sind. Der ganze untere röhrige Stiel macht in Folge dessen den Eindruck einer einzigen Stielkammer und ist überaus hinfällig, wie denn auch der Frucht- körper wenige Stunden nachdem die Streckung vollendet ist, wieder zusammensinkt. Vom oberen Rande der eben beschriebenen, offenen Röhre erheben sich nun drei Aeste, welche schlank auf- steigend an ihrer Spitze zusammenhängen, und im wesentlichen eine scharf zugespitzte dreiseitige Pyramide darstellen, die nur im unteren Drittel schwach ausgebaucht ist. Diese Receptaculum- äste besitzen kammerigen Bau im Gegensatze zu dem unteren Theil des Stieles ; jeder von ihnen stellt eine röhrige Kammer dar. An den stärksten Stellen der Aeste, im unteren Drittel ist noch eine sehr viel kleinere, nach aussen zu gelegene Kammer vor- handen. Nach innen ist die Wand der Aeste auch im fertigen Zustande des Pilzes grobrunzelig quergefältelt, wie es auf dem Bilde an dem linken Ast zu sehen ist, an der Aussenseite aber bemerken wir eine sonst noch nirgends beobachtete Eigenthümlich- keit. Hier verlaufen nämlich, der Länge nach an den Kanten eines jeden Astes zwei bandförmige Streifen vom Ansatz des
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Stieles an bis zur Spitze. Diese Bänder sind genau wie die Kammerwände gebildet, aus pseudoparencbymatisch verbundenen Zellen ; sie sind dem Receptaculum mit der schmalen Seite ange- setzt, so dass sie zwischen sich eine Rinne bilden, und in ihrem Verlaufe schwach wellig hin und hergebogen. Sie sind nicht in ihrer ganzen Längenausdehnung fest angewachsen, sondern wo die auch auf der Aussenseite nicht völlig glatte Receptaculumwand sich einbiegend eine Falte bildet, entsteht zwischen derselben und der aufgesetzten Wand eine Oeffnung. Es ist klar, dass durch diese, wie T Träger wirkenden Streifen der obere durchbrochene ßeceptaculumtheil eine verstärkte Festigkeit erhält. Die Bänder nehmen an Breite nach oben etwas ab, sind aber deutlich er- kennbar bis zur Spitze, wo sie von einem Ast auf den andern ohne Unterbrechung übergehen. Man wird sie nach dieser Be- schreibung auch auf dem Bilde an dem mittleren Aste erkennen. Deutlicher werden sie in der Figur 16 (Taf. VII), welche den Querschnitt darstellt, durch die Mitte eines Receptaculum- astes in fast völlig entwickeltem Eizustande. Hier erscheinen die Leisten als zwei Spitzen aa. Da die Wände noch starkgefältelt sind, so erscheint pseudoparenchymatisches, in der Flächeu- richtung getroffenes Kammerwandgewebe auch im Innern der Kammerhohlräume. Es ist der Erwähnung wohl werth, dass auch auf den von Tulasne (Expl. scientifique d'Algerie Sc. nat. Bo- tanique, Acotyledones, Tab. 23) gegebenen Abbildungen für Colus hirudinosus Cav. et Sech, diese beiden versteifenden Leisten an den Hauptästen des Receptaculums auftreten. Die nahe Ver- wandtschaft jener Form mit der unseren wird dadurch trefflich bestätigt.
Bei mehr als einem Dutzend, von demselben Mycel geernteter Fruchtkörper und Eier waren drei Receptaculumäste vorhanden. In einem reifen Ei dagegen, welches durch die Mycelien in un- mittelbarem Zusammenhang mit den dreiästigen Stücken stand, fanden sich vier Receptaculumäste. Es ist mit Rücksicht auf
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die demnächst für Laternea columnata zu besprechenden Thatsachen auch hier wohl nicht ausgeschlossen, dass Einzelwesen mit 2 oder auch mehr als vier Aesten gelegentlich auftreten können. Die Anzahl der Aeste kann zur Artunterscheidung hier so wenig wie dort dienen.
Der erste Fruchtkörper wurde im November 1892, der letzte im Januar 1893 geerntet. Das Auftreten fiel also in diesem Falle mit der heissesten Zeit des Jahres zusammen.
Die Gleba ist durchaus auf den oberen Theil des Recepta- culums beschränkt, sie füllt im frisch gestreckten Fruchtkörper den Raum zwischen den drei Aesten vollständig aus und zwar so, dass diese halb in die Gleba eingesenkt erscheinen. Die untersten Theile der Aeste sind schon meist glebafrei. Die Farbe der Gleba ist wie gewöhnlich schmutzig bräunlich mit schwacher Beimischung von grün, der Geruch ist sehr widerlich, er erinnert an faulige Seethiere, ist aber nur ausserordentlich schwach entwickelt.
Die kleinen grauen, nahezu kugligen Eier (vergl. d. Abbild. Taf. IV Fig. 2) haben kaum mehr als 12 mm Durchmesser. Die Streckung des Receptaculums ging in dem einzig beobachteten Falle verhältnissmässig langsam vor sich. Nachdem die Volva am Morgen des 2. November geplatzt war. streckte sich der obere Theil des Receptaculums zuerst und war bis zum Abend völlig entwickelt. Erst im Laufe der folgenden Nacht streckte sich der untere röhrige Theil. Der Streckungsvorgang vollzieht sich auch hier, wie bei allen sicher beobachteten Clathreen in der Richtung von oben nach unten.
Die im humosen Boden in der für die Phalloideen charakte- ristischen AVeise verlaufenden Mycelien sind weiss, und der Klein- heit des Pilzes entsprechend sehr feinfädig. Mehr als ^/o mm Stärke wurde nicht beobachtet. Sie gleichen, von den geringeren Maassen und der weissen Farbe abgesehen , den für Clathrus chysomycelinus beschriebenen vollkommen, insbesondere auch in dem Fehlen der Schnallen, dem reichlichen Besitz von Krystallen
— So- und aucli von jenen glänzend lichtbrechenden schlauch artigen Zellen, welche auf Seite 24 für den Clathrus erwähnt wurden.
In den jüngsten Entwickelungszuständen des Pilzes lassen sich wie bei Clathrus: Rinde, ZwischengeÜecht (Ä) und Central- strang unterscheiden. Während aber bei Clathrus dort die alsbald auftretenden Verzweigungen des Centralstranges runde Bündel sind, welche den sj)äter durch das Receptaculumgitter bezeichneten Maschen an Zahl und Anordnung entsprechen, so sind es hier drei (oder vier , vielleicht in Ausnahmefällen noch mehr oder weniger) senkrechte, im Centralstrange selbst als in einer gemein- samen Kante zusamraenstossende Platten oder Wände, welche den ganzen Raum des Eies in drei oder vier gleiche Räume theilen. Wir finden also in der Reihe von Protubera über Clathrus nach Colus hin ein stetes Zurückgehen der Centralstrangzweige an Zahl. Die nach aussen gerichteten Theile dieser Platten nehmen alsbald an Dicke zu und vergallerten ; sie bilden die Anlage der Volvagallerte. Die Figur 13 Taf. VII zeigt einen Querschnitt durch ein junges Ei in diesem Zustande. In seinem alleruntersten, in jungen Eiern natürlich sehr kleinen Theile, bleibt der Centralstrang unverzweigt.
Bei cp (Fig. 13), der Stelle, welche der mit demselben Buch- staben früher bezeichneten Stelle der Clathrusformen entspricht (vergl. Tafel VI, Fig. 9), entsteht die erste Anlage des Hymeniums, ihr gegenüber der erste Receptaculumknäuel , welcher in der folgenden Figur 14 schon deutlich sichtbar erscheint (a).
Dieser zuerst angelegte Receptaculumknäuel entspricht der grossen, inneren, röhrenförmigen Kammer des fertigen Recepta- culumastes. In der weiteren Ausdehung der Volva, der Zusam- menpressung des Zwischengefiechts bis zu schmalen, die Volva durchsetzenden Platten (PI Fig. 14) und in der allmähligen Aus- bildung der Gleba zeigt der Pilz ein im wesentlichen gleiches Verhalten wie Clathrus chrysomycelinus und auch wie die erste von Fischer genau untersuchte Clathreenform, der Clathrus can- cellatus. In dem durch die Figur 14 dargestellten Zustande, wo
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also die Vorwölbungeii der Gleba, die AVulst- und Falten- bildungen schon deutlich begonnen haben, ist ausserhalb der Anlage jener ersten Kammer a noch keine weitere Anlage von Receptaculumtheilen zu bemerken. Diese letzteren, welche dem Bandstreifen an der Aussenseite und stellenweise der zweiten kleineren Kammer den Ursprung geben , entstehen, ebenso wie die Anlage des unteren röhrigen Receptaculumtheiles, erst später, wenn die Ausbildung der Gleba schon erheblich weiter fort- geschritten ist.
Die Figur 15 endlich giebt uns einen Längsschnitt durch ein nahezu reifes Ei. Da hier nur drei Receptaculumäste vor- handen waren, so kann im Längsschnitte nur einer derselben ge- troffen werden. Wir erkennen deutlich seinen röhrig-kammerigen Aufbau. Die Wände der Kammern sind in der gewöhnlichen Weise gefältelt. Ausserhalb der Hauptkammer erscheinen Bruchstücke von den Wänden der kleineren Kammern und Bruchstücke der Bandstreifen , welche dem Receptaculum angeheftet sind. Da diese nicht in einer meridional gerichteten Ebene verlaufen, können sie auch auf dem Längsschnitt nicht ununterbrochen zur Anschauung kommen. An der Spitze bemerkt man in der Volva eine Scheidewand, welche ungefähr die Kante anzeigt, in der die drei den Asten entsprechenden meridionalen Zwischengeflechts- wände zusammenstossen. In Wirklichkeit trifft der Schnitt nicht haarscharf diese Vereinigungskante. Aus diesem Grunde sieht es auch so aus, als ob zwischen dem Ende des im Schnitt sicht- baren ileceptaculumastes und den links von jener Scheidewand erscheinenden zu einem der andern Aste gehörigen Receptaculum- theilen ein Zwischenraum a bestände, Macht man Querschnitte durch die Spitze entwickelter Eier, so überzeugt man sich indess leicht, dass die Receptaculumäste in einer ununterbrochenen, allerdings auf einen sehr kleinen Fleck begrenzten Verbindung miteinander stehen. Ein ganz genau durch jenen Vereinigungs- punkt führender Längsschnitt, der indess nur bei sehr reichem
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Material durch günstigen Zufall zu erlangen sein würde, müsste jene Trennung a zwischen den Receptaculumästen, die in unserer Figur auftritt, nicht zeigen. Die Gleba berührt unmittelbar die Karamerwände und dringt vielfach in die Falten derselben ein. An der entgegengesetzten Seite reicht sie bis an die innere Volva- haut, woraus hervorgeht.^ dass im Eizustande das Receptaculum vollständig in die Glebamasse eingebettet ist. Im unteren Theil des Eies erscheint die stark eingefaltete Wand des unteren röhrenförmigen Receptaculumtheiles , und es wird aus dieser Zeichnung ganz deutlich, dass dieselbe keinen kammerigen Auf- bau besitzen kann. Macht man Querschnitte durch diesen unteren Theil des Eies, so bemerkt man, dass hier, wie es auch nicht wohl anders sein kann, die Scheidewände in der Volva fehlen. Diese endigen nach unten zu blind in der Gallerte da , wo die Anlagen der Receptaculumäste aufhören.
Die Sporen von Colus Garciae sind etwas länger als diejenigen von Clathrus chrysomycelinus , nämlich 5 /ti lang. Ihre Breite ist 1 — iVa H- Bei vielfachem Suchen habe ich mehr als sechs Sporen nie an einer Basidie ansitzend gesehen. Indessen ist es nicht leicht, die genaue Anzahl der Sporen festzustellen, weil diese sich häutig im Präparate gegenseitig verdecken, und weil auch die sehr kleinen Basidien so dicht bei einander stehen, dass man oft im Zweifel darüber ist, zu welcher von zwei benachbarten Basidien eine Spore gehört. Starke Immersionssysteme, wie sie zu derlei Untersuchungen eigentlich nöthig sind, standen mir nicht zu Gebote. Ich möchte es daher nicht für ganz ausgeschlossen halten, dass am Ende auch hier, wie bei allen sonst beobachteten Phalloideenformen die Achtzahl der Sporen an der Basidie, wenigstens in der Anlage, die Hegel bildet.
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4. Laternea columnata (Bosc) Nees
(= Clathrus brasiliensis Ed. Fischer, und vielleicht gleichbedeu- tend mit Clathrus Berkeleyi Gerard in Litt. Ed. Fischer in Sacc. Sylloge VII, 1, 1888 S. 18 und Clathrus (Laternea) australis Spegazzini in Anales de la Sociedad cientifica Argentina T. XXIV S. 66. Getrennt zu halten von Laternea triscapa Turpin und Laternea angolensis Welwitsch und Currey.)
Laternea columnata wurde unter dem Namen Clathrus brasi- liensis von Fischer 1886 als neue Art beschrieben. Er gründete die Art auf zwei in Berlin befindliche, aus Rio de Janeiro stam- mende Stücke, welche er eingehend beschrieb. Die a. a. 0. ver- öffentlichten x\bbildungen sind ausgezeichnet charakteristisch und lassen nebst der ausführlichen Beschreibung keinen Zweifel be- stehen, dass die von mir bei Blumenau zu verschiedenen Maien in grosser Anzahl beobachtete Form mit dem Fischerschen Clathrus brasiliensis gleichbedeutend ist. Ausser den oben er- wähnten Abbildungen gab Fischer 1890 (Taf. II, Fig. 8) noch ein Bild eines fertigen Fruchtkörpers, den er aus Blumenau von Dr. Fritz Müller erhalten hatte. Dieses Bild ist insofern sehr wertvoll, als es uns den Ansatz der Gleba am reifen Frucht- körper in der charakteristischen Form darstellt. Die Gleba nämlich bleibt bei dieser Form im scharfen Gegensatze zu Clathrus cancel- latus oder chrysomycelinus in einer Masse vereinigt und wird, wenn das Receptaculum sich streckt, emporgehoben, sodass sie im Innern der Laterne an der Spitze festgeheftet erscheint. Der auf dieser Fischerschen Figur dargestellte Fruchtkörper ist durch die Aufbewahrung in Alkohol etwas zusammengeschrumpft. Nimmt man zu jener Abbildung nun die nach frischen Exemplaren hergestellten Photographien (Tafel II, Fig. 3 u. 4 dieses Heftes) hinzu, so wird man sich von der äusseren Erscheinung unseres Pilzes ein genügend genaues Bild machen können.
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Fischer hob in seiner Abhandlung 1886 die alte Gattung Laternea auf, und vereinigte ihre Formen mit denen von Clathrus. Man verstand unter Laternea diejenigen Clathreen, welche ver- hältnissmässig wenige, unverzweigt aus der Volva aufsteigende und nur an der Spitze verbundene Receptaculumäste besassen, unter Clathrus dagegen (von dem für uns nicht in Betracht kommenden Ileodictyon abgesehen) — dem Namen entsprechend — die mit einem gitterigen Receptaculum versehenen. Es giebt nun im Ganzen sechs Laterne aformen in der Litteratur, nämlich :
1. Laternea triscapa Turpin (Dictionnaire des sciences natu- relles, T. 25, 1822;
2. Laternea columnata, Nees in Nees u. Henry, System der Pilze (2. i^bth. bearb. von Th. Bail 1858) =^ Clathrus columnatus Bosc, Magazin der naturforschenden Freunde, Berlin, Jahrg. V (1811);
3. Laternea angolensis, Welwitsch und Currey, Transactions Linnean Society of London, Vol. XXVI (1870) ;
4. Laternea pusilla, Berk. u. Curt in Journ. Linn. Society Botany X 1869.
Zu diesen gesellte sich 1886
5. Fischers Clathrus brasiliensis und endlich gehörte hierher
6. Clathrus (Laternea) australis Spegazzini.
Bei seiner Bearbeitung der Phalloideen für Saccardos Sylloge fungorum (1888) vereinigte nun Fischer, ra. E. mit Recht, seinen Clathrus brasiliensis mit der unter Nr. 2 aufgeführten Laternea columnata, und gab für diese Form eine Diagnose, welche durch die hier raitzutheilenden Beobachtungen im wesentlichen bestätigt, nur in Einzelheiten erweitert wird; 1890 jedoch führte er alle die angegebenen Laterneaformen als Varietäten einer und derselben Art, Clathrus cancellatus an. Die am längsten bekannte Clathree, der europäische Clathrus cancellatus bildete nun nur noch eine „forma typica" der zu gewaltigem Umfange erweiterten Art: Clathrus cancellatus.
Mit dieser letzten Auffassung nun kann ich mich nicht ein-
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verstanden erklären. Es liesse sich ja wohl rechtfertigen, alle bekannten Clathreen in eine Gattung Clathrus zusammenzufassen, •wie Fischer schon einmal andeutete (1890, Seite 49), denn mehr oder weniger deutlich ist der verwandtschaftliche Zusammenhang aller ersichtlich. AVas aber hätten wir damit gewonnen? Eine sehr grosse Gattung mit vielen Arten, die sich in eine fort- laufende Reihe jedenfalls nicht ordnen lassen, Gattungs- und Artabgrenzung dient aber doch wesentlich praktischen Bedürf- nissen, sie ist nothwendig zur gegenseitigen Verständigung. Die Einfachheit der Verständigung würde aber durch eine einzige Gattung Clathrus für alle Clathreen nicht gefördert werden. Das Maass der Unterschiede, welches nöthig ist, um eine Formen- gruppe zur Art oder zur Gattung zu erheben, ist ein ganz unbe- stimmtes, und wird durch Willkür zumeist bestimmt. Aber auch die Menge und die Verschiedenheit der jeweilen bekannten For- men haben bestimmenden Einfluss auf jenes Maass. Schaffen wir nun Arten, wie Fischers erweiterten Clathrus cancellatus, welche wir in so und so viele, bei Fischer 6 verschiedene „Formen" theilen, so erschweren wir die Verständigung aufs neue, ohne irgend welchen Nutzen. Jedermann weiss, dass das Maass der Verschiedenheiten zwischen je zwei nächst verwandten Arten einer und derselben Gattung sehr verschieden gross sein kann , und durch die Bildung von Untergattungen hat man dem Gefühl hierfür oftmals Ausdruck gegeben. Ich meine, dass der Fischersche Clathrus cancellatus (1890) nothwendig wieder auf- gelöst werden muss, und dass man die nur amerikanischen und afrikanischen Laterneaformen von dem europäischen Clathrus cancellatus trennen muss. Ob es nun freilich besser ist, die alte Gattung Laternea wieder anzunehmen, oder die darunter begriffe- nen Formen in die Gattung Clathrus zu stellen, das ist eine Frage, die dem persönlichen Empfinden zu lösen überlassen bleibt. Ich bin für Beibehaltung der Laternea, weil die Gattung einmal besteht, und kein zwingenc^er Grund zu ihrer Auflösung
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mir vorhanden zu sein scheint. Denn wenn wir die Unterschiede betrachten , durch welche die anerkannten Gattungen Simblum und Colus, Colus und Lysurus, Lysurus und Anthurus, ja Ithy- phallus und Dictyophora getrennt werden, so ist nicht einzusehen, warum wir sie so viel höher schätzen wollen^ als die zwischen Laternea und Clathrus, dass eine Vereinigung der beiden letzte- ren nothwendig wird. (Jlathrus hat ein der kugligen Form an- genäliertes gittriges Receptaculum. bei dem die Gleba entweder die Receptaculumäste von der Innenseite bedeckt, oder aber den Ecken der Netzmaschen in einzelnen Portionen ansitzt, Laternea dagegen hat aufrecht stehende, nur an der Sj)itze ver- bundene Receptaculumäste, ausnahmsweise nur hier und da eine gittrige Verbindung der Aeste ; vor allem aber ist hier die Gleba in einer Masse an der Spitze des Receptaculums im Innern der Laterne vereinigt, lieber den Werth der bisher geltenden Abgrenzungen innerhalb der Laterneaformen werden wir besser am Schlüsse der Betrachtung der Laternea columnata zu urtheilen im Stande sein.
Dieser Pilz war bei Blumenau, vielleicht nächst der wunder- baren Dictyophora die häufigste Phalloideenform , und aus seiner schon frühen und häufig wiederholten Erwähnung in der Litteratur darf man wohl schliessen, dass er auch sonst in Amerika verhältnissmässig häufig sich findet. Er wurde mir im Laufe der Jahre an 7 verschiedenen Standorten in der Um- gebung Blumenaus bekannt. Zuerst beobachtete ich ihn im Januar 1891 auf einer Maispflanzung bei meinem Onkel, Herrn August Müller , der mich freundlicherweise auf das Vorkommen aufmerksam machte. Hier fanden sich die zahlreichen Laternea- eier und Fruchtkörper fast ausschliesslich in den Hacklöchern vor, welche zur Aufnahme der Maiskörner im August angefertigt, und dann mit Pferde- und Kuhmist gedüngt worden waren. Dieser Fund machte es ausserordentlich wahrscheinlich , dass im besonderen Falle die Ausbildung der den Fruchtkörper tragenden
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Mycelstränge in der Zeit von 4 — 5 Monaten längstens stattge- funden hatte, da früher etwa vorhandene Stränge durch das Hacken und Bearbeiten der Löcher wohl zerstört worden sein dürften. Die hier erwachsenen Fruchtkörper erreichten in keinem Falle mehr als 4 — 5 cm Höhe. Einer derselben mit bereits ab- getropfter Gleba ist in Figur 4 (Taf. II) wiedergegeben. Der grössere, gleich dem vorigen mit vier Bügeln und ausnahmsweise mit einer Querverbindung zweier derselben versehene (Fig. 3), ist unter dem auf niedrigen Pfeilern stehenden Wohnhause des Herrn Lehrer Härtel zu Blumenau im März 1893 gefunden worden. Aber auch mitten im Walde an tief schattigen Stellen wurde der Pilz angetroffen.
Die reinweissen Mycelien bilden im Boden Stränge der ge- wöhnlichen Art, welche auf weite Strecken leicht freigelegt werden können. Die Stränge sind mittelstark und erreichen wohl selten über I72 ™i^i Durchmesser. Sie sind mit Kalkoxalat reichlich inkrustirt. Die nur dünne Rinde zeigt deutlich pseudo- parenchymatischen Bau, l)ei dem die Entstehung aus einzelnen Fäden schon nicht mehr überall deutlich erkennbar bleibt. Die vergallerteten Hyphen des Innern werden bis 6 ^i stark, sie zeigen gedrehten, verwirrten, im wesentlichen längsgerichteten Verlauf Längsgestreckte Hohlräume zwischen den Gallertscheiden der Fäden finden sich auch hier, nur sind sie enger und viel weniger deutlich, als z. B. bei Protubera. Jene schlauchartigen Zellen aber mit stärker lichtbrechendem Inhalt, die bei den früheren Formen vorkamen, fand ich hier nie. Ich hielt eine von Mycel durch- zogene Scholle lehmigen Bodens mehrere Monate unter feuchter Glocke im Zimmer. Das Mycel blieb kräftig und wuchs auch weiter. An den Enden der abgerissenen Stränge starrten dichte feine Mycelbüschel in die Luft, und junge Stranganlagen bildeten sich auf der feuchten Lehmoberfläche. Schliesslich war die ganze Erdscholle von Olathrusmycel dicht überzogen und ich durch- musterte dasselbe oft, in der Meinung, dass, w^nn sekundäre
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Fruchtformen dem Pilze zukämen, sie an so üppig wuchernden Mycelien doch auftreten müssten. Allein nie fand sich die ge- ringste Spur irgendwelcher derartiger Bildungen. Überall waren die reich septirten schnallenlosen Fäden mit Krystallen dicht besetzt. Auch Objektträgerkulturen, welche sich aus abgezupften reinen Mycelflöckchen leicht herleiten lassen, beobachtete ich wochen- lang ohne anderes Ergebniss; Fadenbrücken werden häufig gebildet.
Die grauweissen Eier erreichen im Verhältniss zu der ge- ringen Höhe der fertigen Fruchtkörper eine bedeutende Grösse, nämlich bis zu 3 cm Durchmesser. Kurz vor dem Aufbrechen be- merkt man am oberen Ende eine unter dem Einfluss der drängenden ßeceptaculumäste entstehende schwache Zuspitzung. Auf dem Ei zeichnen sich, den Scheidewänden der Volva und demgemäss auch den Receptaculum ästen entsprechend, meist deutlich 3 bis 4 meridional verlaufende Linien ab, und in diesen erfolgt sehr häufig, aber nicht immer, das Aufplatzen der Volva. In dem von Fischer 1886 beschriebenen Falle ist die Volva, den drei dort vorhandenen Bügeln des Receptaculums entsprechend, regel- mässig dreiklappig aufgerissen ; derartige Fälle sind mir auch vorgekommen. Viel häufiger aber beobachtete ich ganz unregel- mässig in Fetzen zerrissene Volva. Eine solche unregelmässig zerrissene Volva zeigen auch der von Fischer abgebildete Fall (1890 Fig. 8) und unsere beiden Figuren.
Im Innern der aufgerissenen Volva beobachtete und beschrieb Fischer 1886, Fig. 7, am Grunde eines jeden der dort regelmässig gebildeten, durch Aufreissen in den Näthen entstandenen Lappen eine wulstige Erhabenheit, die nach unten, nach dem Grunde der Eier sich in eine erhabene Leiste fortsetzte. Er sagt darüber: (1886, S. 69) „Diese Wülste bezeichnen höchst wahrscheinlich die Stellen welche im Jugendzustande zwischen den 3 Aesten des Re- ceptaculums lagen, woraus dann weiter zu entnehmen wäre, dass wie bei Cl. cancellatus in der Jugend die Zwischenräume zwischen den Rpceptaculumästen sehr schmale gewesen sein müssen." Beide
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Vennutliungcn kann ich auf Grund der Untersuchungen zahlreicher Eier bestätigen.
Aus der geplatzten Volva erhebt sich das in allen von mir beobachteten Fällen hell-fleischrothe Receptaculum (lachsfarben). Die Farbe nimmt nach unten zu an Stärke ab. Den Streckungsvor- gang selbst beobachtete ich mehrmals. Ein am 17. Januar 1891 um ^/gS Uhr morgens geplatztes Ei begann sehr langsam das Recep- taculum, welches drei Bügel besass, herauszuschieben. Bis 9 Uhr v^rar nur erst eine Erhöhung des ganzen Gebildes um 1 cm ein- getreten. An dem einen der erscheinenden Receptaculumäste brachte ich jetzt 6, je 1 mm voneinander entfernte Tuschestriche aU; deren unterster mit dem Rande der Volva gerade abschnitt. Dieser Strich war um 10 Uhr 4 mm, um 11 Uhr 8 mm über den Rand der Volva gerückt, während die andern Striche ihren Ab- stand von einander nicht geändert hatten. Wieder bezeichnete ich den mit der Volva abschneidenden Punkt des Receptaculums mit einem Strich, der nun also 8 mm von dem nächst oberen Ab- stand hatte. Diese Entfernung von 8 mm schrumpfte bei dem weiteren Streckungsvorgange bis 12 Uhr auf 7 mm zusammen, während der vordem mit der Volva gleichhohe Punkt um 10 mm über den Rand der Volva gehoben wurde. Von da an verlang- samte sich der Streckungsvorgang und bis zu seiner Beendigung um 2 Uhr trat nur noch eine Verlängerung um 4 mm ein. In ähnlicher Weise verliefen mehrere andere genau beobachtete Streckungsvorgänge. Der auf dem Bilde Tafel, II Fig. 3, dar- gestellte Fruchtkörper z. B., der am 23. März 1893 Abends um V28 Uhr aufplatzte, hatte am nächsten Tage Morgens ^2^ Uhr im ganzen 5 cm Höhe, während das ungeöffnete Ei bereits 3 cm ge- habt hatte. Die Streckung war erst gegen 11 Uhr Vorm. beendet, wo die Gesammthöhe von 7 cm erreicht war. Stets ging die Streckung in der Richtung von oben nach unten vor sich ; an eine bestimmte Tageszeit scheint das Aufplatzen der Fruchtkörper nicht gebunden zu sein.
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Bemerkenswerth und wichtig ist die eben erwähnte, schein- bare Verkürzung jener Strecke des Eeceptaculumastes, welche von 10 — 11 Uhr von 8 auf 7 mm zurückging. Wir werden auf diese Thatsache noch zurückzukommen haben.
Die Gleba von der gewöhnlich schmutzig braungrünen Farbe sitzt am reifen Fruchtkörper , wie erwähnt, stets dicht unter der Spitze, festgeklemmt zwischen die Aeste des Receptaculums. Sie wird sehr schnell flüssig und tropft ab in die becherartig ge- öffnete Yolva, in der ich häufig kleine schwarze Käfer zwischen der Sporenflüssigkeit umherkriechen sah. '■'■') Der Geruch der zer- fliessenden Gewebe ist massig stark und sehr charakteristisch. Im ersten Augenblick erscheint er fast angenehm, ein säuerlicher Fruchtgeruch, aber schon im nächsten Moment mischt sich etwas ekelhaft betäubendes hinein, und man zuckt unwillkürlich zurück.
Weitaus die meisten Fruchtkörper wurden in der heissen Jahreszeit und zwar vom Januar bis zum März gefunden. In- dessen kommen vereinzelte Fruchtkörper während des ganzen Jahres bestimmt vor.
Die Gestaltung des Receptaculums schwankt innerhalb ziem- lich weiter Grenzen. Die Laterne kann nämlich aus zwei, drei, vier oder fünf Bügeln gebildet sein. Man hatte früher die An- zahl der Bügel zur Artunterscheidung benutzt; so trennt z. B. Fries im Systema mycologicum die Laternea triscapa Turp. von der columnata Bosc lediglich durch den Umstand, dass die erstere 3, die letztere 4 Bügel besitzt. Ich fand nun an ein und dem- selben Mycelstrange, nocli nicht eine Spanne von einander entfernt, die dreibügelige und die vierbügelige Form vereint, und an dem- selben Standorte kamen auch zwei- und fünfbügelige Formen vor, die offenbar auf eben dasselbe Mycel ihren Ursprung zurück- leiteten. Fischer hatte schon erkannt, dass Artabgrenzung auf
*) Nach gütiger Mittheilung des Herrn Greheimraths Professor Dr. Möbius gehören diese Käfer zu zwei Arten, nämlich: 1) Omalodes foveola Er. und 2) Camptodes sp.
Schimpers Mittheilmigen Heft 7. 4
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Grund der Anzahl der Bügel unstatthaft sei, und hatte die früheren derart begründeten Arten als Formen von Clathrus cancellatus aufgeführt. Es ist nun klar, dass auch nicht einmal diese Formen gesondert bestehen bleiben können, wenn sie, wie der oben er- wähnte Fund beweist, an demselben Mycel, also an einer und derselben Pflanze zusammen auftreten können. Mit Berücksichti- gung dieser nun festgestellten Thatsache können wir m. E., solange als nicht neue Untersuchungen wesentlich andere Hülfsmittel der Unterscheidung heranbringen, die Fischerschen Formen des Cla- thrus cancellatus, nämlich: a) Berkeleyi, z. Th. b) brasiliensis, c) columnatus, d) australis sämmtlich in der einen Art Clathrus columnatus (Bosc) Nees vereinigen. Die Artbeschreibung ist nur dahin zu erweitern, dass die Gestalt des Beceptaculums mit zwei bis fünf Bügeln wechselt. Ohne neue Unterscheidungsmerk- male hat es nicht einmal Berechtigung, die mit verschiedener Bügelanzahl versehenen Stücke als getrennte Formen aufzuführen. Ebensowenig aber, wie es angängig ist, die verschiedene An- zahl der Bügel zur Trennung der Formen zu benutzen, ebenso- wenig kann die gleiche Anzahl der Bügel und ähnliche Gestalt des Receptaculums als genügender Grund gelten, die alte Laternea triscapa Turpin mit Clathrus brasiliensis Ed. Fischer, oder die Laternea angolensis Welwitsch und Currey mit Clathrus columnatus Bosc zu je einer Form zu vereinigen, wie es Fischer gethan hat. In der demnächst zu besprechenden neuen Gattung Blumenavia werden wir. eine Clathree kennen lernen, welche in der allgemeinen Ausgestaltung des Receptaculums mit unserer Laternea columnata völlig übereinstimmt, und welche dennoch wegen anderer Eigen- thümlichkeiten eine ganz selbstständige Stellung einnimmt. Die Abbildung der Laternea triscapa Turpin im Dict. des sciences nat. T. 25 S. 248 weicht durch ihre zarten, nach oben dünner werdenden Bügel, und die rothe Farbe der Gleba so erheblich ab, dass sie als selbstständige Art neben Laternea columnata vor- läufig betrachtet werden muss. Auch Laternea angolensis Wel-
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witsch und Currey, die in den Transactions of Linn. Soc. XXVI Tab. 17 abgebildet ist, besitzt nach oben starkverdünnte Aeste, welche gleichsam aus aufgeblasenen Kammern bestehen. Dies ist nie bei Laternea columnata der Fall. Ausserdem scheint letztere auf Amerika beschränkt zu sein, und der weit entlegene afrikanische Fundort der Laternea angolensis macht es wahrscheinlich, dass wir hier eine seit langer Zeit auf selbstständigem Wege der Ent- wickelung vorgeschrittene und zweckmässig von Laternea colum- nata zu trennende Art vor uns haben.
Wir kämen dann zu folgenden Aenderungen in der Be- zeichnung der von Fischer unter Clathrus cancellatus vereinigten Formen :
Clathrus cancellatus Ed. Fischer 1890 hat sechs Formen:
a. Berkeleyi, darunter:
1. Laternea pusilla Berk, et Curt. u. Clathrus Berkeleyi Gerard in litt. Ed. Fischer
in Sacc. Sylloge VII. S. 18 = Laternea pusilla Berk. et Curt. (?)
2. eine zweibügelige Form aus
Blumenau = Laternea columnata (Bosc) Nees
b. brasiliensis = Laternea columnata (Bosc) Nees hierunter ist einbegriffen : La- ternea triscapa Turpin = Laternea triscapa Turpin
c. columnatus = Laternea columnata (Bosc) Nees hierunter ist einbegriffen : La- ternea angolensis Welwitsch
u. Currey = Laternea angolensis Welwitsch u. Currey
d. australis = Laternea columnata (Bosc) Nees
e. Fayodi /| ^ Clathrus cancellatus Tournefort.
f. typica J
Soweit meine Erfahrungen über Laternea columnata reichen, so sind die Stücke mit drei oder vier Bügeln die bei weitem häufigsten. Die zwei- und die fünfbügelige Ausbildung kam nur je einmal vor. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Anzahl der Bügel in einem bestimmten Gebiete auch eine grosse Beständig- keit erreichen kann. Hierauf lässt vielleicht die Bemerkung von Bosc schliessen, welcher über Laternea columnata sagt (Magaz.
d. Ges. naturf. Freunde, Berlin V. 1811 S. 85): „Cette espece a
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les plus grands rapports avec le Clathre grille par sa substance et sa couleur, mais en difföre beaucoup par sa forme qui est con- stante ainsi que je m'en suis assurö sur plus de cent individus.'- Meines Erachtens braucht man aber aus diesen Worten noch nicht mit Nothwendigkeit herauszulesen , dass stets vier Bügel , wie auf der Abbildung, und nicht auch mitunter drei vorhanden ge- wesen wären. Die Constanz des Unterschiedes gegen Cl. can- cellatus , auf welche jene Aeusserung den grössten Werth legt, würde dadurch nicht beeinträchtigt worden sein.^
Sind drei Bügel vorhanden , so vereinigen sie sich meist in einem Punkte , wie in der Fischerschen Abbildung 1890, Fig. 8. Sind vier vorhanden, so sind sie fast ausnahmslos in der durch Fig. 4, Taf. II dieses Heftes erläuterten Weise verbunden. Je zwei Bügel nämlich treten zusammen und ihre Yereinigungspunkte stehen durch eine kurze Brücke in Verbindung. Der Fall der Figur 3, wo zwei Bügel in der Mitte ihrer Erstreckung durch einen Quer- balken verbunden sind, ist ein einmal beobachteter Ausnahmefall, der vielleicht als Rückschlag aufzufassen ist, da es scheint, dass die Laterneaformen von gittrigen Formen abstammen (vergl. die Schlussbetrachtung). Sehr häufig ist ein anderer Fall zu be- obachten, wo von vier aufstrebenden Eeceptaculumästen zwei sich schon in halber Höhe zu einem vereinigen, sodass an der Spitze nur drei Bügel in Verbindung treten. Diesen Fall erläutert das Bild der Blumenavia (Taf. III, Fig. 2), eines Pilzes, der, wie ich schon erwähnte, in der Ausgestaltung des Receptaculums mit Laternea columnata die grösste Uebereinstimmung aufweist.
Bei aller Verschiedenheit in der Gestaltung war aber allen beobachteten Exemplaren doch mancherlei stets gemeinsam. Zu- nächst enden die Receptaculumäste stets unten frei und einzeln in der Volva. Stets findet sich eine ßückenfurche an den Aesten, welche, wie ein Vergleich der vorhandenen Abbildungen lehrt, bald breiter, bald schmäler, tiefer oder flacher, bisweilen auf den oberen Theil fast allein beschränkt sein kann. Der Querschnitt der
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Aeste ist stets vielkammerig. In der Figur 17 T af, VII habe ich einen solchen Querschnitt durch einen Receptaculumast eines noch nicht reifen Eies dargestellt, in dem aber die einzelnen Kammern be- reits deutlich erkennbar sind. Der Querschnitt der Aeste ist im wesent- lichen stets dreieckig stumpf, an den stärksten Stellen bisweilen trapezförmig. Die nach innen zu liegende Receptaculumkammer, die erstangelegte, ist stets die grösste, oft unregelmässig gestaltet. Die Kammerwände sind auch bei völlig gestrecktem Receptaculum nie völlig geglättet, sondern immer noch gefältelt, innen eine grobrunzelige, aussen eine feinruuzeiige Querfältelung herbei- führend, mit häufigen, kleinen, unregelmässig auftretenden Löchern in den Wänden. Endlich ist der Geruch stets derselbe charakte- ristische, und soweit man aus den bisherigen Angaben der Lite- ratur behaupten darf, von dem des Clathrus cancellatus weit ab- weichend.
Die allmähliche Entwickelung der Fruchtkörper im Ei konnte ich an reichlichem Material von sehr jungen Zuständen an ver- folgen. Macht man Querschnitte durch entsprechende jüngste Eier, so ergeben sich Bilder, welche in nichts von dem oben für Colus Garciae gegebenen (Tafel VII, Fig. 13) unterschieden sind. Der Centralstrang verzweigt sich auch hier in drei oder vier senkrecht stehende, in ihm selbst als Kante zusammenstossende Platten, diese Platten vergallerten und ihre stark sich verdicken- den äusseren Enden geben der Volvagallerte den Ursprung, während sie gleichzeitig das zwischen den Platten befindliche Zwischengefiecht zusammendrücken. In der Scheitellinie der von den Centralstrangverzweigungen gebildeten Flächenwinkel, und zwar zuerst im oberen Theile, entsteht die nach aussen weisende Hyphenpallisade, welche zum Hymenium zu werden bestimmt ist. Von dort nun, und von den angrenzenden Theilen der Central- strangplatten erheben sich weiterhin die Tramawülste. Gegen- über, in meridianen Streifen, entstehen als innerer Abschluss des Zwischengeflechts die Receptaculum- Anlagen,
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Für ein vorgerückteres Stadium hat nun Bd. Fischer 1890 Taf. II, Fig. 9 ein Querschnittsbild gegeben, welches nach einem in ßlumenau gefundenen, von Herrn Dr. Fritz Müller gesammelten Ei angefertigt ist. Aus jenem Bilde ist ersichtlich, was jede Unter- suchung bestätigte, dass die innersten Kammern der Receptaculum- äste zuerst angelegt werden, und die grössten sind. Zur Beurtheilung der Verhältnisse in dem heranreifenden Ei betrachten wir den Querschnitt eines Receptaculumastes, Fig. 17, und ferner ver- gleichsweise den Längsschnitt von Colus Garciae (Fig. 15). In einem entsprechenden Längsschnitte von unserer Laternea wür- den wir folgende Verschiedenheiten antreffen. Der Länge nach durchschnitten , fast halbkreisförmig eingekrümmt, würde der Receptaculumast erscheinen, oben am Scheitel am stärksten, und nach unten ganz allmählich wenig an Stärke abnehmend. Unten endet er frei und steht nicht mit dem Grunde des Nachbarastes in Verbindung, obwohl beide dicht bei einander liegen. Der Längsschnitt zeigt nebeneinander so viele Kammern, wie sich aus dem Querschnitt (Fig. 17) entnehmen lässt. Die Kammerwände sind überall sehr stark eingefaltet. Am auffälligsten tritt dies bei den inneren grössten Zellen in die Erscheinung. Diese letzteren sind langgestreckt, bisweilen, selbst in dem zusammen- gepressten Zustande drei- bis viermal so lang als breit. Je klei- ner die Zellen nach aussen werden, um so kürzer werden sie auch, um so mehr nähern sie sich der isodiametrischen Form. Dabei kann natürlich von einer Einfaltung der Wände nur noch in viel geringerem Grade die Rede sein.
Die Gleba tritt nur in dem oberen Drittel, höchstens in der oberen Hälfte mit dem Receptaculum in innige wirkliche Be- rührung. Sie füllt zwar im Eizustande den Raum zwischen den Aesten bis zum Grunde fast vollständig aus, aber bei genauerem Zusehen finden wir im unteren Theil einen schmalen, deutlichen Zwischenraum zwischen Gleba und Receptaculum. Die Stellen der engen Berührung beider sind diejenigen, an welchen im
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jungen Ei zuerst die Anlage der ersten Glebakammer gegenüber der ersten Receptaculumanlage bemerkt wird. Beim Wachsthum des Eies, welches Hand in Hand geht mit einer Verlängerung der allmählich zu schmalen Platten sich umbildenden Centralstrang- zweige, vergrössern sich die Glebakammern sackartig nach innen und nach unten und der entstehende freie Raum wird Schritt für Schritt ausgefüllt von den aus den Centralstrangzweigen hervor- sprossenden und sich verzweigenden Tramawülsten und -platten. So aber, wie nach der ersten Receptaculumkammer im Anschluss an diese nach aussen weitere Kammern angelegt werden, bis die Dicke des fertigen Receptaculums erreicht ist, so geht auch die Receptaculumanlage nachträglich noch nach unten zu weiter vor- wärts. Sie erfolgt in dem Grundgewebe des Eies, demselben, aus welchem der Centralstrang sich herausbildete, dem Grundge- webe, welches ebenfalls alle freien Stellen im Ei ausfüllend weiter wächst, wenn das Ei sich vergrössert. Eine kelchartige Zone des Grundgewebes nun in der unteren Hälfte des Eies ist es, in der die unteren Theile des Receptaculums allmählich aus- gebildet werden. Diese Zone wird aber dadurch nicht vollständig verzehrt, sondern es bleibt eine Schicht als innere Umkleidung und zur Trennung der Receptaculumäste von einander erhalten. Diese steht wieder mit dem Centralstrange am Grunde des Eies in natür- lichem Zusammenhang, und dass sie wesensgleich mit dem Central- strange ist, geht daraus hervor, dass auch von ihr Tramawülste sich erheben. Diese Tramawülste wachsen in den entstehenden freien Raum und nehmen , da sie sich gegenseitig drängen, eine nach oben gehende, im wesentlichen senkrechte Richtung an. Sie zeigen alle mehr oder weniger genau nach dem Punkte hin, an welchem die unterste unmittelbare Berührungsstelle von Gleba und Receptaculum liegt, nach der untersten Stelle der ersten Anlagen beider. In jedem reifen oder nahezu reifen Ei ist die Richtung der Tramawülste in der untersten Hälfte eine im wesentlichen senkrecht nach oben weisende.
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Wir sehen also, dass die Anheftung der Gleba in einer Masse im oberen Theile des Keceptaculums bei Laternea in der morpho- logischen Entwickeliing genau so nothwendig begründet ist, wie früher die Vertheilung in einzelne Häufchen und deren Anheftung an den Ecken der Netzmaschen bei Clathrus chrysomycelinus es war.
Für die richtige ßeurtheilung des Streckungsvorganges ist es erforderlich, die Lage des Receptaculums im reifen Ei mit dem fertigen Zustande vergleichend zu betrachten. Die Eier haben annähernd runde Gestalt, die Receptaculumäste sind ungefähr halbkreisförmig zusammengebogen. Im entwickelten Zustande stehen sie dagegen fast gerade aufrecht. Der Unterschied in der Höhe des Gebildes ist kein sehr beträchtlicher. Aus einem Ei von 2^2 cm Durchmesser geht ein Fruchtkörper von 4, höchstens 5 cm Höhe hervor. Wir sehen unschwer ein, dass die inneren Theile der ziemlich dicken Receptaculumäste sich weit stärker ausdehnen müssen als die äusseren. Hierauf ist nun der Bau des Astes eingerichtet. Denn wir bemerkten schon oben, dass die inneren Receptaculumkammern die grössten sind, und dass nach aussen zu die Kammern an Grösse abnehmen. In den grösseren Kammern ist naturgemäss viel mehr Platz zum Ein- falten der Wände vorhanden als in den kleineren. Bei ihnen be- ginnt die Streckung, und sie bewirken die Geraderichtung der vorher eingekrümmten Laternenbügel. Diese Geradereckung ist der erste Akt des Streckungsvorganges. Es kann leicht vor- kommen, dass bei starker Streckung der inneren Kammerwände die äusseren kleinen Kammern mit der Streckung nicht Schritt halten, und daher zusammengedrückt werden. Auf solches Zu- sammendrücken ist die oben erwähnte (Seite 49) scheinbare Ver- kürzung im oberen Theile eines Receptaculumastes um 1 mm zu- rückzuführen. Ist die Geraderichtung annähernd vollendet, so hebt sich das Receptaculum in die Höhe, und diese Hebung wird ausschliesslich von dem unteren Theile, der mit der Gleba keine unmittelbare Berührung hat, besorgt. AVir haben schon
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bemerkt, dass die Streckung nach unten zu fortschreitet. Die Receptaculumäste nehmen nach unten an Stärke ab, und hier fehlen vollständig die kleinsten, nach aussen zu gelegenen, fast isodiametrischen Kammern , welche eine wirksame Streckung ver- hindern. In dem unteren Theile der Aeste sind vielmehr alle Kammern lang, bei allen sind die Kammerwände ausgiebig einge- faltet, und so befähigt, eine wirksame Streckung herbeizuführen. Der fertige Fruchtkörper hat nur eine kurze Lebensdauer von kaum mehr als 12 Stunden. Dann bricht gewöhnlich einer der Aeste oben dicht vor der Vereinigungsstelle ab. Die Sporen der Laternea sind 4 {.t lang. Bis zu 8 Sporen kommen sicher auf der Basidie vor. Meist sieht man freilich nur weniger, sehr häufig 6 Sporen ansitzend.
5. Blumenavia rhacodes"^) nov. gen.
Am 14. August 1891 fand ich nahe beim Stadtplatz Blumenau, im Walde am linken Ufer des Itajahy, auf der sogenannten scharfen Ecke, ein Phalloideen-Ei von grauweisser Farbe; es hatte 3 cm Durchmesser bei 3^2 cm Höhe. Es stand mitten auf einer Pikade, also auf einem jener schmalen, hauptsächlich zu Jagdzwecken freigemachten Pusssteige, die einem Menschen das Durchkommen gerade ermöglichen. Bei sorgfältigem Nachgraben wurde der 3 mm starke, weisse, ansitzende Mycelstrang aus dem humosen Boden auf etwa ^2 ^^ Länge mit vielen Verzweigungen ausgegraben. Das Ei war, wie die Maasse andeuten, schon ein wenig zugespitzt, und das Aufplatzen durfte bald erwartet werden. Ich pflanzte es, zu Hause angelangt, alsbald in eine Schale mit feuchter Lauberde, und schon am Abend desselben Tages um 10 Uhr zeigte sich in der Volva ein schmaler Biss. An andern Morgen um V.,? war der Pilz etwa 5 cm hoch, dann erfolgte
*") Auf der Tafel III ist rhacodes anstatt racodes zu lesen.
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fast plötzlich die letzte Streckung bis zur Gesammthöhe von IP/2 cm. Der Pilz, von dem ich spreche, ist auf Tafel III Fig. 1 a dargestellt in halber natürlicher Grösse. Es war ein merk- würdiges Zusammentreffen, dass an demselben Morgen des 15. August auch ein Ei von Clathrus chrysomycelinus platzte, sodass ich zwei Vertreter der Clathreen in unverletztem, frisch ent- wickeltem Zustande nebeneinander beobachten und auf einer photographischen Platte festhalten konnte.
Auf den ersten Blick schien der neue Pilz eine Laternea zu sein, denn vier untereinander nicht verbundene, sehr massige Säulen erhoben sich aus der Volva und vereinigten sich an der Spitze. Von der Laternea columnata indessen wich er schon auf den allerersten Blick durch die Farbe ab , welche dort immer röthlich, hier hingegen hellorange (Saccardo Chromotaxia: 29 in heller Schattirung) war. Diese Farbe hatten die Bügel von oben bis unten , doch nahm ihre Kraft nach unten zu ab , und die in der Volva steckenden Enden der Bügel waren fast weiss. Zu- dem war der Pilz höher als L. columnata gewöhnlich zu sein pflegte, die Aeste noch kräftiger, und besonders auffallend war eine sehr starke, fast rinnenförmige Hückenfurche, die besonders deut- lich in dem Bilde Nr. 3 unserer Tafel III erkannt wird. Auch durch den Geruch war die Form vor allen anderen Phalloideen als selbstständig charakterisirt. Die sich verflüssigende Gleba ver- breitet einen recht deutlichen, aber nicht besonders starken Ge- ruch, der am besten mit dem von in Gährung übergehenden, stark zuckerhaltigen Fruchtsaft verglichen werden kann. Der^ Pilz duftet für den ersten Moment geradezu angenehm, setzt man sich aber der Einwirkung länger aus, so empfindet man gerade wie bei der besprochenen Laternea, Je länger je mehr eine etwas ekelhafte Beimischung, welche sich schnell verstärkt, und alsdann abstossend wirkt. Ich brauche wohl kaum besonders zu be- tonen, wie subjektiv eine solche Geruchsschilderung ist, aber es wäre trotzdem wohl zu wünschen, dass von jeder frisch ge-
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fiindenen Phalloidee der Beobachter so sorgsam wie möglich den Greruch beschriebe. Denn immerhin werden die meisten Menschen im wesentlichen gleiche Empfindungen haben; unter allen Haus- bewohnern und Nachbarn, die ich zur Riechprobe heranholte, war niemand, der nicht die allgemeine Bemerkung bestätigte, dass der Geruch im ersten Augenblick angenehm wäre, und erst allmählich ekelhaft wirkte.
Wie aber wird nun die Gleba von dem Receptaculum ge- tragen. Indem wir hierauf unser Augenmerk richten, finden wir jene höchst bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit unseres Pilzes, Avelche ihn vor allen bekannten Formen auszeichnet, und die mich veranlasste, ihn zum Vertreter einer neuen, nach dem ersten Fundorte Blumenavia genannten Gattung zu erheben. Die Bügel sind, wie schon erwähnt, sehr kräftig; sie haben im oberen Theile einen fast scharf dreieckigen, im unteren mehr trapezförmigen Querschnitt, stellen also dreiseitige Prismen dar, welche eine Seite nach aussen, eine Kante nach innen richten, und es ist die innere Kante im unteren Theile abgestumpft. Wir finden nun die beiden äusseren Kanten jedes der Prismen besetzt mit flügel- artigen, unregelmässig zerrissenen, meist aber der Hauptform nach dreieckigen Lappen, welche der Kante mit einer Seite angeheftet sind, und seitwärts abstehen ungefähr in der Ebene der äusseren Prismenfläche. Diese Lappen, welche besonders bei Fig. 1 a am linken Bügel, und bei Fig. 2 am mittleren recht deutlich sind tragen auf ihrer Aussenseite die Gleba, welche von der gewöhn- lichen schmutzig-grünlichen Farbe ist, und alsbald abzutropfen beginnt. Ist die Gleba abgetropft, so zeigen die papierdünnen Lappen eine runzelig skulpirte Oberfläche (vgl. die Abbildungen). Die Lappen besetzen die Kante der Receptaculumbügel von oben anfangend bis fast zum Grunde. Nur der unterste, zumal der in der Yolva steckende Theil derselben, hat keine solchen Anhängsel.
Den merkwürdigen , einer kritischen Beurtheilung nicht ohne weiteres zugänglichen Bau dieses Beceptaculums konnte ich an
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dem einen zur Verfügung stehenden Stücke beschreibend fest- stellen; aber es entstand natürlich der lebhafte Wunsch, mehr Material in die Hände zu bekommen, um die Menge der hier auf- tauchenden Fragen einer Lösung näher bringen zu können. Meine Geduld wurde indessen auf eine harte Probe gesteint. Obwohl ich im Verein mit meinem treuen Gehülfen, Herrn Gärtner, sofort die Fundstelle und ihre Umgebung aufs genaueste durchsuchte, vermochten wir keine weitere Spur des Pilzes aufzufinden. Auch einen neuen Standort fanden wir nicht trotz fortgesetzter Be- mühungen, und schon schien es, dass ich mich mit dem einen Stücke begnügen müsste, als endlich im Februar 1893 der Pilz wieder auftrat.
Nur wenige Schritte von jener ersten Fundstelle entfernt war ein mächtiger wilder Mamäobaum zusammengebrochen (Jaca- ratia dodecaphylla). Bekanntlich ist der Holzkörper dieses wunderlichen Baumes so weich, dass man mit dem Taschenmesser in einer halben Stunde einen 40 cm starken Baum fällen kann, wobei nur die Rinde etwas Schwierigkeit macht, während man den Holzkörper so etwa wie harten Käse schneiden kann. Bricht ein solcher Stamm zusammen, so bietet die weiche, von Feuchtigkeit getränkte Stammmasse einen günstigen Nährboden für Pilze dar. Insbesondere siedelt sich ein Heer von Schleimpilzen alsbald dort an. An dem erwähnten Stamme nun hatte ich schon im August 1891 einen werthvoUen Fund gemacht. Damals war dort eine Protobasidiomycetenform gewachsen , welche einen neuen Typus darstellte, und unsere Beurtheilung jener ganzen natür- lichen Familie von Pilzen wesentlich zu beeinflussen geeignet war.*)
*) Protomerulius brasiliensis nov, gen. ist ein Pilz, der auf zerfallenen Stammresten der Jacaratia dodecaphylla angetroffen wurde, und in jedem Betracht makroskopisch als Merulius erscheint, so dass die Diagnose von Merulius auf ihn ohne weiteres angewendet werden kann. Die Farbe ist weiss, im Alter schwach schmutzig gelblich. Das Hymenium dieses Pilzes wird aber von Treraellinenbasidien gebildet, also viertheiligen rundlichen Basi- dien, welche aus jeder Theilzelle ein Sterigma mit einer Spore entsenden. Die
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In Folge dieses Fundes hatte ich damals den ganzen Mamäo- stamra gründlich durchsucht, ohne von Phalloideensträngen etwas wahrzunehmen. Allmählich war nun die Verwitterung weiter vorgeschritten, nur noch die festeren Rindenplatten waren er- halten und lagen durch Humusschichten getrennt, lose üher- und neben einander. Da fand Herr Gärtner am 1. Februar 1893 unter diesen Platten in weiter Erstreckung und reicher Ver- zweigung die dicken gelblichweissen Mycelstränge der Blumenavia und an denselben eine Anzahl von etwa 10 gut entwickelten Eiern, an denen die vor beinahe 2^2 Jahren unterbrochene Be- obachtung fortgesetzt werden konnte. Die gesammte Entwickelung dieses reichen Mycelnetzes konnte nach dem oben Gesagten nicht länger als höchstens I72 Jahre in Anspruch genommen haben. Das Mycel durchwucherte nach allen Richtungen die humificirten Reste des Mamäobaumes und drang darüber hinaus in die Humusschicht des Erdbodens vor. Die Stränge gehörten den stärksten an, welche bei Phalloideen vorkommen. Einzelne massen über 3 mm Durchmesser. Sie sind sehr zähe, so dass man ziemliche Gewalt anwenden muss, um sie zu zerreissen. Die anatomische Untersuchung unterscheidet sie von allen sonst be- obachteten Strängen. Sie besitzen eine deutlich pseudoparen- chymatische Rinde, in der die Entstehung aus Hyphen nicht mehr erkennbar ist. Diese Rinde besass in einem besonders unter- suchten Falle bei einem 2 mm starken Strange die Dicke von 80 ^i. Innerhalb der Rinde liegt eine etwa 120 {.i starke Schicht sehr enge verflochtener und verwirrter, in Gallerte eingebetteter Hyphen. Darauf folgt nach innen ein Cylinder, in welchem die
Basidien sind sehr klein, nur 7—8 .« im Durchmesser, die Sterigmen sind 7—8 fc lang, die ovalen Sporen 4—5 fi lang. Der Pilz bildet einen interessanten Be- leg dafür, dass auch bei den Protobasidiomyceten die höheren Fruchtformen der Autobasidiomyceten, wenn auch seltener, zur Ausbildung kommen. In meinen nächsten Mittheilungen über brasilische Pilze werde ich ihm und manchen beme rkenswerthen Verwandten nähere Besprechung zu widmen haben.
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Hyphen sehr stark vergallertetj locker verflochten und ebenfalls unregelmässig wellig, stellenweise spiralig verlaufen. Dieser Cylindermantel hatte eine Dicke von 650 iti. Im Innersten des Stranges verläuft endlich ein Markcylinder, in welchem die Hyphen deutlich parallele, nicht verwirrte Anordnung zeigen. Dieser centrale Strang, der sonst nicht beobachtet wurde, ist hier auf Längs- und Querschnitten sehr deutlich zu erkennen, er hatte im besonderen Falle 300 /< Stärke, die einzelnen Mycelfäden sind 4 fz und weniger stark. Fadenbrücken kommen vor, Schnallen- zellen hingegen fehlen. Zwischen den in Gallerte gebetteten Hyphen giebt es langgestreckte, gefässartige Hohlräume, wie bei den früher beschriebenen Formen. Sie sind hier bei Blumenavia eng und nur auf dünnen Querschnitten deutlich zu erkennen, ebenso verhältnissmässig undeutlich, wie wir sie bei Laternea fanden. Die Schlauchzellen, welche wir bei Protubera (S. 14) Clathrus (S. 24) und Colus (S. 39) beschrieben haben, wurden hier so wenig, wie bei Laternea angetroffen. Die Krystallausscheidungen finden sich in der Rinde und in den äusseren Schichten des Stranges, sie sind aber verhältnissmässig wenig zahlreich, und die sonst so häufigen blasigen Zellen mit Krystallinhalt wurden hier fast ganz vermisst. Die Mycelien lassen sich auf feuchter Erde leicht weiter züchten und beob- achten. Auch künstliche Kulturen leitete ich von ausgeschnittenen Mycelstrangstücken her und hielt sie über einen Monat lang. Sie wuchsen üppig, und waren der Beobachtung bis in die feinsten Verzweigungen zugänglich. Es bestätigte sich das Vorkommen der Fadenbrücken und das Fehlen der Schnallen. Doch trat niemals eine Spur einer sekundären Fruchtform in die Erscheinung. Die kräftig entwickelten Eier hatten bis zu 42 mm Durch- messer. Es wurden mehrere Fälle gesehen, wo zwei oder drei Strangenden in die Volva eines und desselben Eies mündeten. Der Streckungsvorgang selbst konnte mehrfach beobachtet werden. Er vollzog sich in allen beobachteten Fällen in den Morgen- oder Vormittagsstunden, zweimal schon vor Sonnenaufgang beginnend.
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Er erfolgte im Gegensatz zu Laternea meist sclniell und war einige Male ganz ausserordentlich beschleunigt. So ging z. B. die Streckung des in natürlicher Grösse Tafel III. Fig. 2 abge- bildeteten Stückes am 7. Februar 1893 morgens in der Zeit von 6 — 7 Uhr vor sich. Da das Ei eine Höhe von 3 cm, der fertige Pilz 9 cm hatte, so streckte sich das Receptaculum mit einer Schnelligkeit von 1 mm in der Minute, d. h., man konnte die Be- wegung mit blossem Auge bei scharfem Zusehen deutlich ver- folgen. In dem Falle der Fig. 3 derselben Tafel war das Zeit- maass etwas geringer. Die Streckung dauerte beinahe 2 Stunden ; sie schreitet wie in den früher beschriebenen Fällen in der Rich- tung von oben nach unten vor.
Betrachten wir das in Figur 3 dargestellte, noch kaum fertig- gestreckte Stück, so sehen wir jene bereits oben beschriebenen, flügel- artigen Lappen, welche die Blumenavia kennzeichnen, der inneren Seite der prismenartigen Säulen noch mehr oder weniger anliegend. Den Raum zwischen je zwei Säulen füllt im Eizustande die zu- sammengepresste Glebamasse völlig aus. "Während der Streckung aber, bei der die Receptaculumäste von einander weichen, scheidet sich hier in der Mitte die Glebamasse in zwei Hälften. Die Theilfläche ist schon vorher bezeichnet durch eine gallertige Platte, die entsprechende Verzweigung des Centralstranges, welche für Gl. chrysomycelinus in der Figur II P^, Tafel VI im Schnitt dargestellt wurde, und gerade wie dort, bei der Reife zerfliesseud, die Gleba in Portionen theilt, welche in jenem Falle an den Ecken der Netzmaschen, hier bei Blumenavia an den Flügelfortsätzen der Aeste anhaften. Gleichzeitig mit der weiteren Streckung klappen sich dann diese anfangs nach innen zeigenden Lappen nach aussen, und führen die Gleba aus dem Innenraum der Laterne ins Freie. Zur richtigen Beurteilung dieser Lappen ist es nun nothwendig, auf Eizustande zurückzugreifen. In der Figur 18 Taf.VII ist ein Querschnitt durch einen Receptaculumast in einem noch nicht völlig ausgereiften Ei dargestellt. Wir erkennen
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in dem vielkammerigen Bau des Astes selbst eine deutliche Über- einstimmung mit dem für Laternea columnata beschriebenen (Fig. 17). Nur sind hier weniger Kammern vorhanden. Gerade wie dort aber liegen die grösseren Kammern nach innen zu, die kleinsten nach aussen. Während aber bei Laternea die Trama- falten mit der Gleba unmittelbar an die Kammerwände des Recepta- culums heranreichen, und mit ihnen in Verbindung getreten sind, so wie bei Mutinus unter den Phalleen die Gleba an das Eecepta- culum sich anschliesst, so finden wir bei Blumenavia, von den äusseren Ecken des Receptaculums ausgehend, in verhältnissmässig weitem Abstände von den Kammerwänden bleibend, zwei flügel- artig nach innen, parallel den inneren Seiten der Receptaculum- prismen verlaufende Wände FF, welche den pseudoparenchy- matischen Bau der Kammerwände zeigen ; sie grenzen das Recepta- culum von der Gleba ab, und an sie allein tritt nun die letztere unmittelbar heran, mit ihr treten die Tramawülste in unmittel- bare feste Verbindung. Es erinnern diese Wände unwillkürlich an den Hut der Ithyphallus- und Dictyophoraformen, welcher in ganz ähnlicher Weise die Gleba vom Receptaculum abgrenzt. Auf diesen Vergleich werden wir nach Betrachtung der Phalleen am Schlüsse der Arbeit zurückzukommen haben.
Es ist ohne weiteres aus unserem Bilde einleuchtend, dass diese Wände es sind, welche später die flügelartigen Klappen an den Kanten der Receptaculumäste bilden; es wird bei mikrosko- pischer Betrachtung eines Schnittes, wie der abgebildete, fernerhin auch zweifellos, dass diese Klappen als Anhängsel des Recepta- culums wesensgleich mit den Kammerwänden des letzteren anzu- sehen sind. Sie gehen in die Kammerwände an den beiden äusseren Kanten ohne Grenze über, und besitzen genau denselben pseudoparenchymatischen Bau wie jene. Es ist auch wohl sicher, dass sie gleich jenen aus zwei gegeneinander wachsenden Pallisaden- zonen ihren Ursprung herleiten, und dies spricht sich noch deut- lich dadurch aus, dass sie aus zwei Lamellen zusammengesetzt
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scheinen, wie es auch die Zeichnung andeutet, welche zwar an sehr vielen Stellen, jedoch nicht überall, durch herüber- und hinüberlaufende Parenchympartien in Verbindung stehen, hier und da auch einen freien Raum zwischen sich lassen. Bei Be- trachtung genügend zahlreicher Schnitte finden sich auch Stellen, wo ausnahmsweise hier und da an beliebigen Stellen Kammer- bildung diese Wände auf kurze Strecken verstärkt, und an den Ecken in der Nähe des Übergangs zum Receptaculum ist dies sogar ein häufiger Fall , den auch die Figur darstellt. Nach unten reichen die beiden Wände im Ei soweit, als die Gleba reicht, d. h. nahezu bis zum untern Ende der Receptaculumäste. An keiner Stelle findet eine unmittelbare Berührung von Gleba und Receptaculum statt. Die beidenWände nun umschliessen also, parallel zu den inneren Wänden der Receptaculumäste verlaufend, einen grösseren prismatischen Raum JR, ihre Kanten liegen nach innen zu dicht bei einander, berühren sich jedoch in keinem Punkt. Vielmehr bleiben sie getrennt durch eine dünne Wand gallertigen Geflechts Z, welches unmittelbar in Verbindung steht mit dem- jenigen, das den Raum zwischen den Wänden und dem Recepta- culum ausfüllt, und welches gleichzusetzen ist dem im Innern aller Kammerhohlräume vor der völligen Ausreifung vorhandenen. Eine der Wände F^ geht aber in der Regel noch über die innere Kante des Prismas hinaus radial weiter nach dem Mittelpunkt des Fruchtkörpers hin, ohne jedoch jemals diesen ganz zu er- reichen. An ihr entlang, und weiter bis zum Centrum, finden wir die Gleba durchsetzt von einer gallertigen Wand, derselben, welche die beiden Wände in Z trennt, und diese verläuft mehr oder minder deutlich bis zum Centralstrange des Fruchtkörpers. Sie ist in ihrem Aussehen in nichts verschieden von den zu Platten gewordenen Centralstrangzweigen, welche zwischen je zwei Receptaculumästen die Gleba durchsetzen, und übernimmt, wie jene, die Aufgabe, bei ihrer Verflüssigung während des Streckungsvorganges die nothwendige Trennung der Gleba nach
Schi m per' s Mitteilungen, Heft 7. **
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rechts und links zu ermöglichen. Wenn, wie es in der Mehrzahl der Fälle zutraf, vier Bügel vorhanden sind, so würde ein reifes Ei im Querschnitt also die Anordnung der Figur 19 erkennen lassen. Durch die Gallertwände ist hier die Gleba in 8 Theile getheilt, ent- sprechend den 8 Reihen von Lappen an dem gestreckten Receptacu- lum. Die aus den Zwischengeflechtsplatten hervorgegangenen Volva- scheidewände zeigen hier, wie auch sonst, den geknickten Verlauf. Wie nun die Gallertwände entstehen, welche die Gleba hinter der Kante der Receptaculumäste zertheilen, und wie die erste Anlage der Receptaculumanhängsel entsteht, das vermag ich nicht zu sagen, da zu meinem grössten Bedauern es nicht möglich geworden ist, von dem seltenen Pilze genügend junge Zustände aufzufinden. Im allgemeinen können wir ja zweifellos die Anlage der Frucht- körperelemente uns genau wie bei Laternea entstehend denken. Die sekundäre Frage nach der ersten Anlage der Receptaculum- anhänge muss vorläufig ungelöst bleiben. Am ehesten ist viel- leicht anzunehmen, dass der ganze Raum zwischen den Wänden und dem Receptaculum als eine grosse zuerst angelegte Recepta- culumkammer aufzufassen ist. Auf einem Längsschnitt erkennt man, dass thatsächlich auch die beiden Flügelwände F gleich den Kammerwänden im Eizustande ein wenig eingefältet sind ; immer- hin nicht annähernd in dem Grade, wie die Wände der wirklichen Receptaculumkammern. Eben hierin liegt nun aber auch der natürliche Grund ihres Verhaltens beim Streckungsvorgange. Da die Receptaculumäste im Ei halbkreisförmig zusammengebogen sind, und da bei der Streckung die nach innen gelegenen grössten und mit den meisten Einfaltungen ihrer Wände versehenen Kam- mern sich am stärksten strecken, um die Geraderichtung der Bügel herbeizuführen, so ist es klar, dass die nach innen liegenden Flügelwände, welche nicht annähernd soviel Einfaltungen haben, um der Streckung folgen zu können, zerreissen müssen. An ihren äusseren Kanten, wo sie mit dem Receptaculum zusammenhängen, ist die Streckung und der damit auf sie ausgeübte Zug nur ge-
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ring. Auf verhältnissmässig lange Strecken hin bleibt der Zu- sammenhang mit dem Receptaculum nicht gestört. Nach innen zu aber müssen sie sich bei der Aufrichtung der Aeste noth- wendig aufschlitzen, und die entsprechenden Fetzen müssen an- nähernd die Dreieckgestalt annehmen, wie es thatsächlich der Fall ist. Das Aufklappen nach aussen ist ebenfalls die natürliche und leicht mit der Vorstellung zu begleitende Folge der Gerade- richtung der früher eingekrümmten Aeste und der damit ver- bundenen Spannung in der Anheftungskante.
Die beobachteten voll entwickelten Pilze hatten 8^/2 — 13 cm ganze Höhe. Drei und vier Bügel an demselben Mycel wurden beobachtet. Die Verbindung der Bügel mit einander ist genau so, wie sie für Laternea columnata beschrieben wurde, worauf ich oben schon (Seite 50 u. 52) hingewiesen habe. Das Aufreissender Volva erfolgte meist ganz unregelmässig. Doch kam auch ein Fall vor (Fig. 3, Taf. 3), wo die Volvagallertscheidewand genau zur Zerreissungslinie wurde. Erwähnenswerth ist endlich ein anderer Fall, wo die nicht genau senkrecht im Ei befindliche Erucht- körperanlage die Volva gleichzeitig nach oben und nach unten durchstossen hatte, sodass die letztere das gestreckte Recepta- culum als ein Ring in der Mitte umgab.
Die Sporen sind kaum 4 f.i lang. Ich sah sie einige Male sicher zu 8 auf einer Basidie sitzend.
n. Phalleen.
6. Aporophallus subtilis nov. gen.
Wenn wir an den Beginn der Clathreen eine Form wie Protubera Maracuja stellen konnten, welche, ob sie schon — nach der üblichen Umgrenzung der Gruppe — zu den Phalloideen noch nicht gezählt werden kann, uns den Anschluss der Clathreen an niedere, Hysterangium-artige Hymenogastreen in der über- zeugendsten Weise vermittelte, so sind wir bei den Phalleen nicht in gleich günstiger Lage. Die schon mehrfach erwähnte Arbeit von Rehsteiner hat es wahrscheinlich gemacht, dass die Phal- leen ebenfalls von den Hymenogastreen herzuleiten, und dass in den Hymenogaster- Arten ihre Vorläufer zu erkennen sind. Rehsteiner fand, dass die Hymeniuraanlage bei Hymenogaster in den jüngsten FruchtköriDern erfolgt in einer kugelkappen- förmigen Schicht in der oberen Hälfte. Hier entsteht eine Hyphenpallisade mit nach unten und innen gerichteten Pallisaden- spitzen, welche später zu Basidien werden. Von dieser Schicht aus erheben sich dann, wiederum nach unten und innen zu, Wülste, deren Wandungen sich mit der Hymeniumanlage bedecken, und die sich allmählig unregelmässig verzweigend und verbreiternd
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das Labyrinth der fertigen Gleba erzeugen. Bei allen bisher untersuchten Phalleen nun entsteht das Hymenium in ähnlicher Weise. Nur ist bei allen diesen die Kugelkappenschicht am Pole durch ein Loch unterbrochen, in dem keine Pallisadenbildung erfolgt. Bei allen Phalleen erfolgt die Anlage des Hymeniums also in einer Kugelzonenfläche und die Richtung der Pallisaden, aus denen die Basidien werden, geht stets nach innen und unten. Die Bildung des Receptaculums erfolgt bei allen Phalleen in einem die senkrechte Achse des Fruchtkörpers umgebenden Cylinder- mantel und die Spitze des Receptaculums trifft in jene Lücke der Hymeniumanlage am Pol, welche wir eben erwähnten.
Wenn nun die Ableitung der Phalleen von Hymenogaster- ähnlichen Formen richtig ist — was vorläufig noch nicht über allen Zweifel sichergestellt werden kann — so erscheint es durch- aus wahrscheinlich, dass niedere Phalleen könnten gefunden werden, welche jene Unterbrechung der Hymenium anläge am Pole noch nicht besitzen, und eine solche Form ist der hier zu be- sprechende Aporophallus subtilis. Nur mit Widerstreben habe ich diese neue Gattung aufgestellt, denn nur ein einziges ent- wickeltes Exemplar des Pilzes wurde gefunden. Gerade der Um- stand, dass so oft neue Phalloideen - Arten oder Gattungen auf die Kenntniss eines einzigen Exemplars begründet worden sind, hat die Systematik der Gruppe so sehr erschwert, und viel Verwirrung in der Benennung hervorgerufen. Auf verhältniss- mässig wenige Individuen hin sind ja die allermeisten Phalloideen- Arten begründet. Nun ist es allmählich sicher geworden, dass gerade in dieser Gruppe das Maass individueller Abweichungen sehr gross ist, dass selten ein Stück dem andern vollkommen gleicht. Individuelle Unterschiede von Art - Unterschieden zu trennen, ist oftmals unmöglich bei einer zu beschränkten Anzahl von Einzelbeobachtungen. Ich erinnere nur daran, dass man die drei- und die vierbügelige Laternea so lange für getrennte Formen zu halten berechtigt war, bis ich sie beide an demselben Mycel-
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Strange ansitzend fand (s. S. 49). Findet sich also eine neue Form, welche mit einer der bekannten und beschriebenen in allen Hauptpunkten übereinstimmt, und nur in der einen oder andern Einzelheit abweicht, so wird man meist besser thun die Beschreibung der betreffenden Art etwas weiter zu fassen derart, dass die neue Form eingeordnet werden kann. Wenn aber ein Pilz, und sei es auch nur in einem einzigen Falle, beobachtet wird, der gegen alle bekannten in einem vom vergleichend morphologischen Stand- punkte aus so hoch zu bewerthenden Merkmale sich abhebt, wie der Aporaphallus, so darf man ihn m. E. mit Stillschweigen nicht übergehen. Die kurze Mittheilung des Befundes möge vor allem dem Zwecke dienen, auf diese wichtige Form die Aufmerksamkeit späterer Beobachter hinzulenken.
Die Figur 24 (Taf. VIII) stellt das einzige Fundstück , im genau mittleren Längsschnitt, in anderthalbfacher natürlicher Grösse dar. Die Form gehört, wie man sieht, zu den kleinsten Phalleen. Am nächsten mag sie dem Mutinus xylogenus Mont. (vergl. Fischer 1890 S. 37) verwandt sein, bei dem aber die Unterbrechung der Glebaanlage schon vorhanden ist. Die sorgsamste Untersuchung des Aporophallus ergab, dass hier die Gleba ohne irgend welche Lücke den ganzen Hut einschliesst, dass also nicht etwa das in der Figur wiedergegebene Bild eine Folge nicht mittlerer Schnitt- führung war.
Die Wände des Eeceptaculums sind im oberen und unteren Drittel einkammerig, in der Mitte sind meist zwei Kammerlagen nebeneinander wahrnehmbar. Die äusseren Kammern sind er- heblich kleiner als die inneren, das Receptaculum ist oben ge- schlossen. Mit den obersten Kammerwändeu in unmittelbarer Verbindung stehen plattenartige pseudoparenchymatische Fortsätze, welche durch den gallertigen, verhältnissmässig dicken und nach aussen glatten Hut verlaufen. Das Gallertgewebe der Hutmasse ist ferner durchsetzt von pseudoparenchymatischen Platten, welche peripherisch verlaufen und durchaus an diejenigen erinnern, die
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wir bei Ithyphallus glutinolens im Hute wiederfinden werden (s. Fig. 20, 21, Taf. VII). Diese peripherisch liegenden Platten stehen mit den vorhin erwähnten radial ausstrahlenden, und auch mit einander an vielen Stellen in Verbindung. Es ist wohl an- zunehmen, dass das gesammte pseudoparenchymatische Gerüst des Hutes in ununterbrochenem Zusammenhange steht, wenngleich es auf dem Schnitt nur unterbrochen und in Stücken erscheint. Der glatten Überfläche des Huts liegen die schmutzig braungrünen Reste der Gleba auf. Diese ist nicht mehr vollständig erhalten. Man kann über ihre ursprüngliche Dicke nichts sicheres mehr er- mitteln. Das eine aber ergiebt sich sicher, dass sie den ganzen Hut ohne Unterbrechung überzieht. Die Sporen sind oval, 5 |U lang, 2 — 3 i-i breit. Der Hut ist, wie die Zeichnung angiebt, vom Stiel in der Hauptsache getrennt. Man kann aber nicht von unten her, mit einer Nadel etwa zwischen Hut und Stiel eindringen. Der Unterrand des Hutes liegt dem Receptaculum fest an. Ein mikroskopisch feiner Schnitt an dieser Stelle zeigt nun deutlich, dass die pseudoparenchymatischen Theile des Hutes mit den Stielkammerwänden nicht in unmittelbarerVerbindung stehen. Beide sind getrennt, man kann auch sagen verbunden, durch das zwischen- liegende gallertig gewordene Grundgewebe, welches den Haupt- bestandtheil des Hutes bildet. Dasselbe dringt an dieser Stelle sogar noch ein wenig in die mitunter nach aussen offenen Kammern des Stieles ein, und umschliesst hier die freien Enden der Kammerwände in einer Art und Weise, welche es zweifellos macht, dass bei der Streckung des Receptaculums der Hut nicht an dem sich streckenden Stiel entlang gezogen sein kann. Viel- mehr ist der Zusammenhang des unteren Hutrandes mit dem Stiel hier ein ganz natürlicher, in dem gallertigen Zwischengewebe haben keine Zerrungen stattgefunden, und die Lage der Theile zu einander muss schon im Ei ebenso wie jetzt gewesen sein. Daraus geht hervor, dass die Form des Hutes im Ei eine flache gedrücktere gewesen ist, sonst hätte die Streckung der Kammern,
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soweit sie im Innern des Hutes liegen, nicht erfolgen können, ohne dass die Verbindung des Hutrandes mit dem Receptaculum gelöst oder wenigstens gelockert worden wäre. — Der Pilz ist unweit von Blumenau im Walde gefunden worden.
7. Mutinus bambusinus (Zollinger) Ed. Fischer.
(== Mutinus MüUeri Ed. Fischer =- Mutinus argentinus Speg.?)
Im Jahre 1887 fand Dr. Fritz Müller diesen Pilz in seinem Garten im Wurzelwerke eines dort am Itajahyufer üppig ge- deihenden indischen Bambus. Er sandte die Fundstücke an Ed. Fischer, der auf diese die neue Art Mutinus Mülleri gründete. Von demselben Standorte stammt auch das Material, welches meinen Beobachtungen zu Grunde liegt, und an der Ueberein- stimmung desselben mit dem von Fischer gründlich untersuchten kann ein Zweifel nicht bestehen. Im Laufe der Untersuchung drängte sich mir aber die Ueberzeugung auf, dass eine sichere Trennung des M. Mülleri Ed. Fischer von dem aus Java bekannt gewordenen M. bambusinus (Zollinger) Ed. Fischer nicht durch- zuführen sei. Diese Ueberzeugung festigte sich besonders, nach- dem es mir möglich gemacht worden war, das im Berliner Bot. Museum befindliche, von Ed. Fischer untersuchte Material aus Java vergleichend prüfen zu können.
Farbige Abbildungen der aus Brasilien erhaltenen Stücke hat uns Fischer 1890, Tafel V, Fig. 28 geliefert. Ich habe trotz- dem auf Taf. IV, Fig. 3 dieses Heftes auch eine photographische Dar- stellung des Mutinus beigefügt, weil ich gerade auf die mechanische Abbildung meinte Werth legen zu sollen, und dann auch, weil das abgebildete Stück, welches sich ohne Störung im Laboratorium entfaltete, kräftiger und grösser ist, als alle bisher beobachteten.
An dem schon erwähnten Standorte in Dr. Fritz Müller"s Garten konnten im April 1892 Eier aller Grössen reichlich ge-
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sammelt werden, und es kamen auch eine ganze Menge von Fruchtkörpern zur Beobachtung. Die am natürlichen Standorte sich streckenden waren fast ausnahmslos nicht im besten Zustande. Das liegt daran, dass der Pilz schon wenige Stunden, nachdem die Streckung vollendet ist, wieder zusammenzusinken beginnt, und der richtige Moment zum Einsammeln gar zu leicht verpasst wird. Ausserdem wurden die Fruchtkörper meist schon unmittel- bar nach dem Platzen der Volva angefressen gefunden (von Schnecken?), endlich müssen sie an jenem Standorte gewöhnlich eine Schicht der am Boden liegenden unverwesten trockenen ßambusblätter in die Höhe heben, und werden dadurch in ihrer Formausbildung beeinträchtigt.
Ich nahm desshalb einige Eier mit den Mycelsträngen, welche sie erzeugten und dem umgebenden Erdboden heraus und setzte sie im Zimmer in einen Topf. Im Laufe der Nacht vom 6. bis 7. April 1892 war eines derselben geplatzt und das Receptaculum hatte sich wunderschön gestreckt (s. die Abbildung Tafel IV). Der Pilz war in ganz frischem Zustande grösser und kräftiger, als irgend eines der im Freien angetroffenen Stücke und ging in seinen Maassen auch noch über die von Fischer angegebenen Grenzwerthe, nämlich 4 — 8 cm Höhe und 6— 9 mm Stieldurchmesser erheblich hinaus. Es hatte die Höhe von 11 cm, wovon drei auf den sporentragenden, 8 auf den freien unteren Theil des Recepta- culums kamen. Der grösste Durchmesser des Stieles betrug 11 mm. Auf SVs cm Länge steckte das Eeceptaculum in der lang- gestreckten, oben aufgerissenen Eihaut. Auch ein zweiter, im Zimmer zur Entwickelung gebrachter Fruchtkörper, der wieder- um in der Nacht sich streckte, erreichte wenigstens 10 '/o cm Höhe. Die im Boden verlaufenden Mycelstränge des Pilzes sind rein weiss und von nur geringer Dicke, höchstens l'/„ mm stark. Es lässt sich eine dünne, mit Krystallen stark inkru- stirte Kinde von dem gallertigen Markcylinder leicht unter- scheiden. Die erstere wird von stärkeren, bis 6 ,t< im Durchmesser
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haltenden Hyphen gebildet, welche bisweilen so eng zusammen- treten, dass ein Pseudoparenchym andeutungsweise zu Stande kommt. Die Hyphen des Markes haben kaum 2 [.i Durchmesser. Alle verlaufen im wesentlichen in der Längsrichtung des Stranges, sind aber geschlängelt verbogen und verwirrt. Vereinzelt und unregelmässig im Marke vertheilt finden sich auch hier wieder schlauchartige Hyphen, welche bis zu 12 [.l Durchmesser erreichen und einen dichteren, stärker lichtbrechenden Inhalt führen, Hyphen, wie wir sie schon bei mehreren Clathreen antrafen, und die wir vielleicht als Reservestoffbehälter deuten dürfen. Auch längs- gestreckte Hohlräume durchziehen das gallertige Mark, und er- scheinen auf Querschnitten als Sieblöcher. Die auf dem natür- lichen, feuchtgehaltenen Substrat unter einer schützenden Glocke im Zimmer weiter wachsenden Mycelien beobachtete ich wochen- lang. Schnallenzellen traten nirgends auf, und keine Spur sekun- därer Fruchtformen wurde angetroffen.
Die weissen Eier erreichen bis zu 2 cm Durchmesser und sind kuglig. Vor der Streckung erscheinen sie zugespitzt unter dem Drucke des vordrängenden Receptaculums. Eine eingehende Beschreibung der Fruchtkörper hat schon Ed. Fischer 1890 S. 33 gegeben. Der Stiel ist rein weiss in seinem unteren, schmutzig- purpurroth dagegen in dem oberen glebatragenden Theile. Die rothe Farbe setzt sich allmählich ausblassend und gleichsam verwaschen, von dem oberen glebatragenden Theile nach unten mehr oder weniger weit fort. In dem auf der Tafel IV Fig. 3 darge- stellten Falle ist die Gleba noch nicht abgewaschen. Sie ist wie in allen anderen Fällen von schmutzig-grünlicher Färbung und das Roth kommt an einem solchen Fruchtkörper nur wenig zur Geltung. Bei den von Fischer 1890 Taf. V abgebildeten Stücken ist die Gleba abgewaschen, nur der obere kegelförmige, am Scheitel in allen beobachteten Fällen offene Theil des Recepaculums ist hier deutlich roth. Die AVandung besteht aus einer einzigen Lage von Kammern, die fast alle nach aussen geschlossen, nach innen
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aber, zumal im oberen Theile offen sind. Der die Gleba tragende Keceptaculumtheil ist von dem unteren durch eine schwache Ein- schnürung abgesetzt.
Die Basidien des Pilzes tragen je 8 Sporen. Wie in früheren Fällen , so beobachtete ich auch hier neben achtsporigen sehr viele Basidien, an denen weniger Sporen gebildet zu sein schienen. Der nicht besonders starke Greruch der zerfliessenden Grleba schien mir mit demjenigen frischen Pferdemistes die grösste Aehnlichkeit zu haben. Mannigfach abgeänderte Aussaatversuche blieben hier, wie in allen anderen Fällen ohne Erfolg.
Die Entwickelung des Fruchtkörpers ist von Ed. Fischer ein- gehend studirt und dargestellt worden. (1887 S. 30 ff. und 1890 S. 32 ff.) In vielen Schnitten konnte ich die Fischerschen Dar- legungen bestätigen und es bleibt mir kaum etwas zu ergänzen. Für das Verständniss der folgenden Phalleenuntersuchungen wird es aber nothwendig, den Entwickelungsgang des Mutinus kurz zu überblicken.
Wie bei allen Phalleen, so entsteht auch bei Mutinus in dem kugelig anschwellenden Ende eines dünnen Mycelstranges, dem jungen Ei, zuerst die Anlage der Volvagallerte in Gestalt einer kappenförmigen nach unten offenen Zone. Im Innern derselben, concentrisch mit ihrer Innenfläche, erfolgt die Anlage der Hyme- niumschicht in der schon früher erwähnten Weise. Diese Hymenium- schicht wird von einer Pallisadenzone gebildet, und ist am Pole unterbrochen. Von ihr erheben sich die mit Pallisaden umkleideten Glebawülste, welche nach innen und unten zu wachsen. Im Inneren und um die senkrechte Achse des Fruchtkörpers herum entsteht die Stielanlage. Die späteren Kammern des Stieles sind in den ersten Anfängen dicht verflochtene Hyphenknäuel , welche sich je für sich mit einer Hyphenpallisade umgeben. Letztere ist zu- nächst nicht verschieden von derjenigen, die wir als Hymenium- anlage kennen lernten. Bei weiterem AVachsthum lockern sich die Hyphenknäuel im Innern, die begrenzenden Hyphenpallisaden
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je zweier benachbarter Knäuel wachsen gegeneinander, und gehen später in Pseudoparenchym über, dasselbe, welches die Wände der Kammerhohlräume im fertigen Fruchtkörper darstellt. In dieser Weise werden die Receptaculumkamraern bei allen Phalloideen gebildet.*) Bei den nach innen offenen Kammern der oberen Receptaculumtheile wird die Hyphenpallisade nach der inneren Seite zu nicht angelegt.
Die erwähnten Bildungen, die Hymeniumanlage, die Grleba, und die Stielanlage füllen nun den im Innern der Volvagallerte vorhandenen Raum nicht vollständig aus. Im untersten Theile der Fruchtkörper liegt zwischen Volva und Receptaculum eine Schicht von Grundgewebe, welche bei weiterem Wachstum des Eies immer mehr zusammengedrückt wird. Reste dieses Grund- gewebes erscheinen an dem gestreckten Receptaculum bisweilen in Gestalt eines sehr feinen häutigen Ringes noch wahrnehmbar, was in den bisher gegebenen Beschreibungen übersehen zu sein scheint. Grundgewebe liegt nun ferner im oberen Theile des Eies, zwischen der nach innen immer näher an die Receptaculum- anlage heranrückenden Gleba und dieser letzteren selbst.
Hier in diesem Räume, in dem bei höher entwickelten Phal- leen die Hutanlage, bei Dictyophora auch die Indusiumanlage erfolgt, treten nun bei Mutinus im Allgemeinen keine Neu- bildungen ein, und in diesem Umstände liegt der Charakter der Gattung begründet. Die heranwachsende Gleba drückt das Grund- gewebe zusammen und drängt sich dem Receptaculum fest an, um später von ihm unmittelbar getragen und in die Höhe ge- hoben zu werden. Doch hat Fischer, und zwar zuerst bei den brasilischen Stücken die Beobachtung gemacht, dass auch hier jene Schicht von Grundgewebe zwischen Gleba und Recep- taculum nicht vollständig zum Verschwinden zusammengepresst
*) Auf die gegentheilige Behauptung des Herrn Burt ist schon oben, Seite 30 verwiesen.
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und zerstört wird. Er fand nämlich den in Betracht kommenden Kaum in reifen Eiern erfüllt von lockeren, nicht immer in sichtbarer Ver- bindung mit einander stehenden kugligen Zellen^ welche theilweise pseudoparenchymatisch verbunden in das Pseudoparenchym der Stielanlage überführten, und wies nach, dass diese lockeren Zellen sowohl von den Fäden des Grundgewebes, wie von den fortwachsen- den Hyphenpallisaden der Receptaculumanlage gebildet werden. Er fand später dieselben Zellen, wenn auch in geringerer Menge. bei Mutinus bambusinus aus Java. Wir dürfen in ihnen wohl ohne Zweifel die Vorläufer jenes Pseudoparenchyms sehen, das wir in dem Hute mancher Ithyphallus- Arten wiederfinden werden. Aus der weiteren Betrachtung, vorzüglich der zunächst zu be- sprechenden Gattung Itajahya, aber auch anderer Phalleen werden wir ersehen, dass die Neigung zur Pseudoparenchymbildung in dem Grundgewebe der Eier wohl aller dieser Formen vorhanden ist und an den verschiedensten Stellen zum Ausdrucke kommen kann. Auch die hier in Betracht kommenden lockeren Zellen des Muti- nus sind aufzufassen als die ersten Anfänge einer Pseudoparen- chymbildung, welche im besonderen Falle den Zweck verfolgt, eine trennende Schicht zwischen ßeceptaculum und Gleba zu er- richten. Nach Fischers Angaben ist diese Neubildung bei dem europäischen Mutinus caninus noch deutlicher ausgeprägt, aber erst in dem Hute der höheren Phalleen erreicht sie ihren letzten Zweck vollkommen.
Auf die grössere oder geringere Menge jener erwähnten, zwischen Stiel und Gleba liegenden kugeligen Zellen ist in erster Linie der Unterschied des javanischen M. bambusinus von dem brasilischen M. Mülleri begründet worden. Untersucht man viele Exemplare, so erkennt man, dass die Menge jener kugeligen Zellen von Fall zu Fall schwankt, und dass ein Art -Unter- schied hierdurch kaum bedingt sein kann. Betrachten wir die sonst noch angegebenen Unterschiede der beiden Formen, so
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finden wir, dass es sich bei ihnen allen nur um ein Mehr oder
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Weniger, nie um eine wirkliche trennende Verschiedenheit handelt. Das Verhältniss der Länge des glebatragenden zum glebafreien Theile des Receptaculums ist durchaus schwankend und geht von ^^ bis ^2 ^^i Mutinus Mülleri unmittelbar über zu ^/2 und mehr bei M. bambusinus. Die von der Färbung her- genommenen Merkmale zeigen gleicherweise alle Uebergangsstufen und machen eine scharfe Trennung unmöglich. Ein Vergleich unserer Abbildung Tafel IV fig. 3, mit dem ausgezeichneten Bilde bei Fischer 1887 fig. 29 setzt die Uebereinstimmung beider Formen ausser Zweifel.
In gleicher Weise, wie Ed. Fischer die grosse Zahl der aus allen Welttheilen der südlichen Halbkugel bekannt gewordenen und fast jedesmal unter einem neuen Artnamen beschriebenen Dictyophora-Formen im Interesse einer klaren Beurtheilung und in sorgsamer Berücksichtigung der thatsächlichen Befunde zu einer Art vereinigte, in gleicher Weise scheint es mir berechtigt, den Mutinus Mülleri mit Mutinus bambusinus (Zoll.) Ed. Fischer zu- sammenzuziehen.
Da der Pilz in Blumenau nur im Wurzelwerke des indischen Bambus gefunden wurde, so lag die Vermuthung nahe, er möchte vielleicht mit jenem zugleich nach Brasilien eingeführt worden sein. Dem steht nur der Umstand entgegen, dass auch aus Argentinien von Spegazzini (Mutinus argentinus in Anales de la Sociedad cientifica Argentina T. XXIV 1887) ein Mutinus be- schrieben worden ist, welcher wahrscheinlich gleichfalls zu M. bambusinus zu ziehen ist. Es ist wenigstens in der von Spegaz- zini a. a. O. gegebenen langen Beschreibung nichts enthalten, was eine Abtrennung der neuen Art nothwendig erscheinen Hesse. Frei- lich fehlen trotz der Länge der Beschreibung recht viele , be- sonders anatomische Angaben, die zur Bestätigung der Ueberein- stimmung wünschenswerth wären.
Aus dem so weit von den bekannten Standorten entfernten Vorkommen allein die Berechtigung einer neuen Art abzuleiten.
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geht nicht mehr an, nachdem die Zahl der über alle Continente verbreiteten Pilze mit der Zunahme unserer Kenntnisse ausser- europäischer Filzfloren von Jahr zu Jahr grösser wird.
8. Itajahya galericulata nov. gen.
Diese neue Phalloidee , welche in den Figuren 1 — 4 der Tafel y dargestellt ist, erreicht eine Gesammthöhe von 9 — 12 cm. Aus dem geplatzten Ei erhebt sich ein starker, weisser, röhriger Stiel, welcher von dem häufig unregelmässig ausgebildeten, eng- anliegenden, durch die Gleba schmutzig-dunkelgrün gefärbten Kopfe (Fig. 2) gekrönt wird. Der etwas tonnenförmige, d. h. in der Mitte den grössten Querdurchmesser aufweisende Stiel ist sehr dick und kräftig (Fig. 1). Er erreicht bis zu üVa cm Durch- messer, wovon 2 X 1 cm auf die ^yandung und Vl^ cm auf die Höhlung kommen. Die angegebenen Maasse sind die grössten, welche ich beobachtete. In allen Theilen des Fruchtkörpers, so auch in der Dicke des Stieles, macht sich bei diesem Pilze eine ausserordentliche Formunbeständigkeit geltend. Gerade hier ist es ganz besonders nothwendig, eine möglichst grosse Anzahl von Einzelwesen vergleichend zu betrachten, wenn man nicht in Ver- suchung gerathen will, für jedes eine eigene Art zu begründen.
Der Stiel hat kammerigen Bau, und die Anzahl der neben einander liegenden Kammern der AVandung ist verhältnissmässig bedeutend; man kann deren bis sechs zählen (Fig. 3). Die einzelnen Kammern sind klein , ihre Wände werden auch bei vollständig entwickeltem Receptaculum nicht vollkommen glatt gestreckt, sondern behalten geringe Einbiegungen (Fig. 33 Taf.VIIl). Die Weite der Karamerhohlräume nimmt von innen nach aussen be- trächtlich ab ; während die inneren bis zu 2^2 lum Durchmesser aufweisen, findet man oft nur V4 nim bei den äussersten. Der
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vollständig gestreckte, weisse Stiel sieht von aussen feinporig aus. Die Poren sind so fein, dass man sie mit dem blossen Auge nur eben noch deutlich unterscheiden kann. Bei genauer Betrachtung mit der Lupe erkennt man ein labyrinthisches Gewirr der Kam- merwände, und man sieht, dass die äussersten Kammern fast sämmtlich nach aussen offen sind (Fig. 2 Taf.V u. Fig. 34Taf. VIII). Besieht man dagegen die Innenseite des Receptaculums, so findet man sie glatt und geschlossen, mit höckerigen Auftreibungen, welche den nach innen ganz abgeschlossenen, grösseren Kammer- hohlräumen entsprechen. — Wir haben schon bei den Clathreen gesehen, dass die Wände der Kammerhohlräume im Eizustande harmonikaartig eingefältelt sind, und dass die schnelle Streckung nach der Zersprengung der Volva durch die Ausbreitung jener Falten in eine Ebene zu Stande kommt. Genau so ist es auch bei den Phalleeu. Eine eingehende Schilderung der betreffenden Vorgänge hat Ed. Fischer an Ithyphallus impudicus durch- geführt (Bemerkungen über den Streckungsvorgang des Phalloideen- Receptaculums, JVIitth. der naturforsch. Gesellschaft in Bern 1887).
Da nun offenbar die Streckung des Stieles um so mehr seine ursprüngliche Länge (in zusammengedrücktem Zustande) verviel- fachen muss, je geringer die Anzahl der wirklichen Kammern und je grösser die Zahl der oingefalteten Wandbiegungen ist, so ist klar, dass bei Itajahya die Verlängerung durch Streckung nur wenig ausmachen kann, weil die zahlreichen kleinen Kammern nur wenig Raum zu harmonikaartigen Einfaltungen bieten. In der That streckt sich auch das Receptaculum hier kaum mehr als auf das doppelte der Länge, welche es im Ei schon besass.
Die AVände der Stielkammern bestehen wie gewöhnlich aus isodiametrischen, pseudoparenchymatisch verbundenen Zellen. Im besonderen Falle hier haben die Zellen etwa 20 — 40 ,w Durch- messer, und die Kammerwände sind an den dünnsten Stellen mindestens aus vier Zellschichten gebildet.
Der Kopf des Pilzes ist, wie schon angedeutet wurde, meist
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nicht regelmässig ausgebildet. Die eine Hälfte geräth häufig länger als die andere (vgl. die Figuren 1 u. 2 auf Taf. V).
Ein einziges Mal wurde ein vollkommen entwickeltes, grosses Ei freistehend auf dem Boden gefunden, wo denn die Ausbildung regelmässig war. Meist erfolgt die Anlage unterirdisch oder zwischen Wurzelwerk und so, dass ein Druck von irgend einer Seite entsteht, welcher eine Schiefstellung der ursprünglichen Anlage und eine ungleichmässige Anlage der Gleba bewirken dürfte.
Um uns weiter über den Aufbau des Receptaculums , des Kopfes, des etwaigen Hutes, und den Zusammenhang der Theile zu unterrichten, betrachten wir Längsschnitte durch reife Erucht- körper und entwickelte Eier, wie solche in Fig. 2, Taf. Y und in den Figuren 29, 30, 31 der Tafel VIII wiedergegeben sind.
Das Receptaculum setzt sich nach oben in einen mehr oder weniger langen, nicht immer regelmässig gekammerten, wohl aber auch noch hohlen Theil fort, welcher in eine Kappe überführt (Fig. 31), die die Höhlung der Röhre überdeckt, und seitlich übergreifend auf dem Scheitel des Kopfes eine merkwürdige weisse Mütze bildet. Diese Mütze, oft in der Mitte schwach gebuckelt, reicht seitwärts manchmal bis zur Mitte des Hutes und ist nach ihren Enden hin strahlig lappig zerschlitzt. In schönster Aus- bildung zeigt sie die Figur 2, Taf. V. Sie erscheint hier als ein in höchstem Maasse eigenartiger und charakteristischer Schmuck des Pilzes. Allein schon in dem Falle der Figur 3 ist sie weni- ger entwickelt, und der Vergleich vieler Fruchtkörper zeigt, dass sie von Fall zu Fall schwankend in verschiedener Mächtigkeit auf- tritt, ja bisweilen fast bis zum Verschwindungspunkt zurückgeht (vgl. den in Fig. 4 abgebildeten Fruchtkörper). Sogar offene Fruchtkörper kommen vor, und es ist wohl keine Frage, dass wenn man den in Fig. 30 dargestellten, und den mit der grossen Mütze geschmückten (Fig. 2) an verschiedenen Standorten, und in nur je einem Stücke gefunden hätte, zwei Arten daraus wären
ScUinipei''s MittlieihTUgeii Heft 7. b
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gemacht worden. Unsere weitere Untersucliung wird zeigen, dass beide Fälle durch eine ununterbrochene Reihe von TJebergängen verbunden sind, und dass die geringere oder stärkere Ausbildung der so auffallenden Mütze von secundären Umständen abhängig ist, und für die Charakteristik der Art einen untergeordneten Werth hat.
Die Masse der Gleba, welche, wie die Figuren zeigen, erheb- liche Dicke erreichen kann (in einzelnen Fällen bis zu 1 cm), liegt dem Stiele eng an, so dass man oftmals nicht vermag, von unten zwischen Stiel und Gleba hineinzusehen. "Wohl aber kann man mit einem Messer dazwischen fahren, und sich überzeugen, dass die Gleba nicht unmittelbar dem Receptaculum aufgelagert ist, dass also nicht etwa eine Mutinusform vorliegt. Auf Aus- nahmefälle, wo in einzelnen Punkten die Gleba wirklich dem Stiel sich so fest anschliesst, dass man sie nicht ohne "Weiteres abheben kann, werden wir noch zurückkommen.
Der ganze glebabedeckte Kopf (Fig. 2) erscheint auf seiner Aussenseite weiss getupft, gesprenkelt oder marmorirt. Ueber die Bedeutung der weissen Flecke erhalten wir aus den Figuren 29, 30, 31 der Tafel VIII Aufklärung. Wir sehen hier die Gleba durchsetzt von einer Menge von Adern, welche zum grössten Theile aus dem obersten Ende des lieceptaculums entspringen, aus jenem Theile also, der nicht mehr regelmässig gekammert ist. Diese durch die Gleba verlaufenden Adern strahlen von der An- satzstelle aus schräg nach unten. Nicht stärker ausgebildet als jene finden wir ferner eine dünne Haut, welche von eben derselben Ausatzstelle der Gleba. am Receptaculum dicht anliegend, abwärts verläuft, und die Gleba begrenzend eine innere Hutfläche dar- stellt, von der wiederum adrige Seitenzweige abgehen. Eine zweite gleichsam äussere Haut des Hutes geht oben ab, in bald längerer bald kürzerer Erstreckung unter der besprochenen Mütze entlang. Ausser den Adern begegnen wir auf dem Längsschnitt einer Menge unregelmässig gestalteter weisser Tupfen (Fig. 29). welche
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offenbar die Querschnitte und schiefen Schnitte gleicher Adern darstellen, wie diejenigen sind, die zufällig in ilirer radialen Er- streckung durch den Schnitt deutlich wurden.
Die dünne Haut, welche die Innengrenze des Hutes dar- stellt, und welche vom Receptaculum deutlich getrennt und abzu- heben ist, reicht niemals bis ganz zum unteren Ende der Gleba. Oftmals verschwindet sie für das blosse Auge schon in der Mitte der Erstreckung (Fig. 1 Taf. V); bis in die äussersten Enden aber sehen wir die weissen Adern deutlich verlaufen. Wenn nach der Sporenreife die Gleba abgetropft ist, und man den zu- rückbleibenden Hut dann sauber abspült, so erkennt man (Fig. 32) den ungemein complicirten perrückenartigen Bau des- selben. Den oben erwähnten Adern, einschliesslich der beiden den Hut nach innen und aussen begrenzenden Häute entsprechen dachziegelartig über einander liegende dünne Blättchen von un- gleicher Breite, welche sich in einiger Entfernung von den Ansatz- stellen, da wo sie auf dem Längsschnitt aufhören als continuir- liche Adern zu erscheinen, auflösen in einzelne büschelartig ver- zweigte Stränge, die die Gleba ganz und gar durchsetzen, und deren gewöhnlich ein wenig verdickte Endigungen die weissen Tupfen darstellen, die wir an der frischen und unversehrten Gleba aussen beobachteten.
Die kleinen trübgrünen Sporen des Pilzes sind länglich, fast stäbchenförmig, 3 — 5 (.i lang, und sitzen zu 8 auf sehr kurzen Sterigmen den Basidien auf. Wie in den früheren Fällen findet man auch hier häufig Basidien mit weniger als 8 Sporen.
Den ersten Fruchtkörper dieses Pilzes fand ich am 11. Januar 1891 in bereits verfallendem Zustand, unweit Blumenau im Walde. Der Fundort lag andern ziemlich steil abfallenden lehmigen Ufer eines Waldbaches, durch den ich alle 8 oder spätestens 14 Tage einmal meinen Weg nahm, um die mir bekannt gewordenen Stand- orte einer Reihe von Pilzen aufzusuchen und die Befunde zu verzeichnen. So habe ich denn auch diesen Standort der Itajahya
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regelmässig während 27« Jaliren aufgesucht, und es dürfte mir dort kein Ei oder Fruchtkörper entgangen sein. Dieserhalb mag es der Mühe lohnen, die Funde zu verzeichnen. Alle Eier, welche im Laufe der genannten Zeit erschienen, kamen auf einem Fleck von kaum 1 qm Grösse zum Vorschein. Dieser Fleck lag im Wurzelgebiet einer schon abgestorbenen Figueire (Ficus), und die Eier standen stets in einem Boden , welcher reich war an ver- wesenden Blättern und Wurzelwerk. Sie entstehen hier wie in den meisten andern beobachteten Fällen, zunächst unterirdisch; an dem steilen Abhänge dieses Bachufers, an dem jeder nieder- gehende Regen etwas Boden abspülte, kamen sie jedoch ziemlich früh ans Licht. Nach dem im Januar 1891 beobachteten Frucht- körper erschien erst im Februar wieder ein Ei, welches damals die Grösse einer kleinen Wallnuss hatte und abgeerntet wurde. Danach wurde im März ein Ei beobachtet, welches Wallnussgrösse hatte. Es wurde am Standorte belassen und erreichte bis Mitte April einen Durchmesser von 50 mm, erwies sich dann aber An- fang Mai als angefault und unbrauchbar. Am 12. April be- obachtete ich ein stark haselnussgrosses Ei, welches bald mächtig wuchs und zu Ende Mai die gewaltigsten Maasse erreichte, die ich je gesehen habe; es hatte nicht weniger als 75 mm grössten Durchmesser und eine unebene, buckelige, höckerige Ober- fläche. Als icli es durchschnitt , fand ich die Gallerthülle der Volva ganz ausnehmend stark entwickelt, und die Gallerte darin fast ganz verflüssigt. In der weitabstehenden äusseren Hülle stand gleichsam ein zweites Ei, umschlossen von der noch ganz festen inneren Schichte der Volva, die bei der Itajahya ganz besonders hart und fest ist. Ein weiteres Ei, welches ich vom 4. Mai an beobachtete, wuchs von diesem Tage bis zum 4. August im Durchmesser von 25 auf 63 mm an. Es wurde am Standorte belassen und es fand sich die Volva geplatzt am 4. August Mittags. Bemerkenswerth ist hierbei, dass die Nacht vom 3. auf den 4. August 1891 eine der kältesten war, die in Blumenau
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überhaupt vorzukommen pflegen; das Thermometer war in jener Nacht nämlich bis -j- 4" C. gesunken.
Mit diesem Ei scheinbar verwachsen war ein zweites, welches auch nahezu dieselbe Grösse erreichte. Beide sassen an dem- selben Mycelstrang und berührten sich in einer thalergrossen Fläche (Fig. 4, Taf. V). Die Untersuchung ergab, dass von einer wirklichen Verwachsung nicht die Eede war. Die Ansatzstellen der beiden Eier lagen an dem nur 2 mm dicken Mycelstrange nur 1 cm von einander entfernt, und so hatten die Eier bei zu- nehmender Vergrösserung sich eng an einander drücken müssen. Es folgte nun an der Fundstelle eine längere Ruhepause, ohne dass ein Ei aufgetreten wäre. Erst im März 1892 erschienen wieder genau an derselben Stelle zwei neue Eier. Dann kam erst Ende Oktober eines zum Vorschein, das drei Wochen lang beobachtet wurde und dann ganz plötzlich spurlos verschwunden, wahrscheinlich von einem Thiere gefressen worden war. Das nächste wurde von Mitte Januar bis Mitte Februar 1893 beobachtet, dann, da es aufbrechen zu wollen schien in einen grossen Blumentopf mit der umgebenden Erde ausgehoben und im Zimmer weiter ge- pflegt, wo es nach 8 Tagen sich entfaltete. Endlich fand ich zwei Eier kurz vor meiner Abreise am 29. Mai 1893.
Ausser diesem näher beschriebenen Standorte kannte ich in der näherenUmgebung meines Wohnorts nur noch zwei Plätze, an deren jedem der Pilz angesiedelt war und in ganz ähnlicher Weise in un- regelmässigen Zwischenräumen Fruchtkörper erzeugte. Ein weiteres entfaltetes Exemplar wurde nebst einem Ei auf einer Exkursion, etwa 20 km von Blumenau, am Aufstieg zum Spitzkopf, einem 900 m hohen Vorberge der Serra Geral, in einer Höhe von 400 m über dem Meere gefunden.
Ein merkwürdiger Umstand war es, dass gerade, als ich mit der Bearbeitung meines Phalloideen-Materials in Berlin beschäf- tigt war, Herr P. Hennings durch Herrn Glaziou aus Rio de Janeiro zwei Fruchtkörper und ein Ei einer „neuen Phalloidee''
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erbalteii hatte, welche offenbar zu Itajahya gehörten. Herr Glaziou hat diese Phalloidee in dem Passeio publico von Rio, einem kleinen aber herrlich gepflegten öffentlichen Park dicht am Ufer der Bai gesammelt. Herr Hennings hat mich durch Ueberlassung dieses Materials zu besonderem Dank verpflichtet. Der Pilz steht stets in humushaltiger Erde. Herr Glaziou giebt an, ihn auf alten Bambuswurzeln gefunden zu haben.
Eine sehr bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit der Itajahya liegt in dem Fehlen der sonst bei allen Phalloideen vorkommenden Aveit verzweigten Mycelstränge. In keinem der beobachteten Fälle, an keiner Stelle des Standortes, an dem, wie oben erwähnt der Pilz 2^1^ Jahre lang stets wieder zum Vorschein kam, konnten Mycelstränge von irgend erheblicher Länge im Boden nachgewiesen werden. Am Grunde des Eies findet man in der Regel ein Stück- chen eines Mycelstranges, welches an reifen Exemplaren 2—3 mm Dicke erreicht und das man auf einige cm weit in den Boden hineinverfolgen kann. Dann hört es auf. Das längste Mycel- strangstück, welches jemals beobachtet wurde, hatte 84 mm Länge. Man muss also annehmen, dass das Mycel d^ Itajahya feinfädig bleibt und den Boden durchzieht, ohne das man es zu Gesicht bekommen kann. Die kurzen Mycelstränge, welche vorkommen, haben eine bräunliche Binde, und sind im Erdboden, dessen Farbe sie besitzen, schwer aufzufinden. Ihr anatomischer Bau zeigt gegenüber den bekannten Phalloideensträngen einige Abweichungen.
Auf Querschnitten überzeugt man sich, dass sehr häufig Erd- brocken und verwesende Beste von Pflanzen, welche an den Mycelstrang grenzen, von seinen Hyphen umwachsen und der Binde einverleibt werden. Desshalb erscheint der Strang in der Begel nicht glatt rund, sondern rauh (vgl. Fig. 27). Man kann an ihm fast stets eine äussere und eine innere Binde unter- scheiden.. Die äussere ist von sehr locker verflochtenen, bis zu 7 ^i starken Hyphen aufgebaut, und diese ist es auch allein, welche fremde Bestandtheile umgreift. In der inneren Binde
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iielimeu die Hyplieu an Stärke ab und sind eng und fest verfloch- ten. Der Querschnitt des Stranges erscheint gefeldert durch schmale Streifen dicht verflochtenen Hyphengeflechts , welche gleich der inneren Rinde ein wenig gelblich gefärbt sind, von jener Rinde ausgehen und die Querschnittfläche in unregelmässig gestaltete Abtheilungen zerlegen. Sie gleichen in ihrem Aufbau der inneren Einde, während das von ihnen umschlossene Hyphen- geflecht aus lockeren mehr oder weniger vergallerteten Fäden ge- bildet wird. Auf dem Längsschnitt erscheinen gleichfalls die dunkleren, enger verflochtenen, schmäleren Bänder zwischen breiten Partien, welche lockerer und gallertig sind. In dem Gallertgefleclit verstreut findet man die bekannten runden Krystalldrusenzellen von 20 fi und mehr Durchmesser. Auch finden wir unregelmässig vertheilt in diesen Strängen jene schlauchartigen stärkeren, viel- leicht als Reservestoffbehälter zu deutenden Hyphen, welche zu- erst bei Protubera Maracujä beschrieben und nachher auch bei anderen Clathreen nachgewiesen wurden. In allen Theilen ist die Hyphenstructur deutlich erkennbar ; der Verlauf der Fadenelemente ist kein geradliniger, der Richtung des Stranges paralleler, sondern ein gleichsam maseriger, schräg zur Hauptachse verlaufender, so als ob die Fäden in grösseren unter sich parallelen Bündeln in unregelmässigen Schraubenlinien um die Hauptachse ge- wunden wären.
Es scheint häufig vorzukommen, dass an dem Ende eines Mycelstranges dicht bei einander mehrere Eier entstehen. Dafür spricht das oben erwähnte Vorkommniss (Taf. V, Fig. 4) zweier gleichsam verwachsener Eier, ferner der Umstand, dass auch mit einem der Glaziouschen entwickelten Exemplare ein noch unent- wickeltes Ei an demselben Mycelstrange sitzend und scheinbar mit der Volva des entwickelten Fruchtkörpers verwachsen gefunden wurde ; endlich auch der in Fig. 27 abgebildete Fall, wo unmittel- bar unter der Ansatzstelle (( eines bereits zerfallenen Fruchtkörpers zwei neue an dünnen Abzweigungen des Mycelstranges ansassen.
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Fruclitkörperanlagen von der Grösse der hier (Figur 27) gezeichneten wurden einmal dicht unter einem grossen, der Streckung nahen Ei gefunden. Sie lagen scheinbar lose im Boden, und hatten nur je ein etwa 1 cm langes, zwirnfadenstarkes j\Iycelstück an sich. Sie lagen dicht bei einander, unter dem grossen Ei, bis 8 cm tief im Boden, doch war ein Zusammenhang der Mycelien nicht zu entdecken, und auch das an dem grossen Ei anhaftende Mj^elstück war nicht grösser als das auf der Figur 4 dargestellte. Zweifellos aber bestand zwischen allen diesen Eiern ein Mycelzusammenhaug durch feine im Boden verlaufende und der Beobachtung nicht zugäng- liche Mycelfäden.
Die Eier, welche, wie oben erwähnt, ungewöhnliche Grösse, dabei ein Gewicht bis nahe zu einem halben Pfunde erreichen können, sind grauweiss gefärbt. Sobald sie gedrückt oder auch nur mit dem Finger angerührt werden, nehmen sie einen röth- lichen Ton an. Diese röthliche Farbe wird auch deutlich sichtbar, wenn man junge Fruclitkörperanlagen in Spiritus bringt. An den Berührungsstellen zweier neben einander entstandener Eier, wo die Einwirkung der Luft ausgeschlossen ist, war die Volvaaussen- haut stets reinw^eiss. Bei der Streckung zerreisst die Volva un- regelmässig, und es kann auch wohl vorkommen, dass ein Stückchen da,von auf dem Hute sitzen bleibt und mit emporgehoben wird. Auf dieses rein zufällige, oftmals beobachtete Vorkomraniss ist kein besonderer Werth zu legen. Dieses emporgehobene hauben- artige Stück der Volva hat mit der unserem Pilze eigenen pseudo- parenchymatischen Mütze auf seinem Scheitel natürlich nichts zu thun. sondern sitzt, wo es vorkommt, dieser Mütze eben noch auf.
Gut entwickelte Stücke sind gefunden worden am 11. Januar, 10. Juli, 26. Juli, 6. August 1891, am 16. Februar 1892 und am 16. März 1893. Die Glaziouschen Exemplare sind vom 12. Oktoker 1893. Hieraus geht hervor, dass das Vorkommen des Pilzes an keine Jahreszeit gebunden und dass die Entfaltung auch von der Temperatur recht wenig abhängig ist, denn die Temperatur-
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Maxima und -Minima betrugen am 6. August 1891 4" C. und 18*^ C. am 16. Febuar 1892 dagegen 23^ C. u. 32" C. in ßlumenau. —
Der Streckungsvorgang selbst, den ich in drei Fällen unmit- telbar verfolgte, ist nicht, wie wir es bei Dictyophora besonders ausgeprägt finden werden, an eine bestimmte Tageszeit gebunden. Er vollzieht sich sehr langsam. Bei dem erwähnten Exemplar vom 26. Juli 1891 begann gegen Mittag die Aussenhaut der Volva zu platzen, die mittlere Gallertschicht war verflüssigt, und man sah in dem geöffneten Ei gleichsam ein zweites, von der inneren sehr festen Volvahaut umschlossenes Ei. Am folgenden Morgen, am 27., war die äussere Haut noch weiter auseinander geplatzt und auch von der inneren ein kappenartiges Stück aufgesprengt. Darunter erschien die rauhe Oberfläche der weissen Mütze des Pilzes. xA.n dem nun sich streckenden Stiele bemerkte man dicht unter dem Hute eine seidenfeine, weisse, bald zerreissende Haut entstanden aus den Resten des zwischen Gleba und Receptaculum zusammengepressten Grundgewebes. Bis zur vollständigen Streckung des Fruchtkörpers auf seine endgültige Länge von 12 cm ver- gingen 50 Stunden. Ein im August beobachteter Streckungs- vorgang dauerte noch einige Stunden länger. Dagegen vollzog sich die Streckung des Receptaculums vom 16. Februar in wenig mehr als 15 Stunden. Die Verlängerung betrug nicht mehr als 3 mm auf die Stunde, meistens viel weniger. Indem ich während der Streckung an verschiedenen Stellen des Stieles sehr kleine Holzsplitterchen in die offenen Zellen steckte, konnte ich zweifel- los feststellen, dass die Entfaltung sich von oben nach unten fort- schreitend vollzieht.
Der Geruch des Pilzes wird benierklich, sobald das Recepta- culum den Hut aus der Volva herausgehoben hat. Von allen beobachteten Phalloideen ist dieses die einzige, deren Geruch durchaus nichts Unangenehmes hat. Er erinnert sehr an frischen Hefenteig. Allmählig nimmt das Säuerliche des Geruches zu, und
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ist am stärksten, wenn die Gleba abzutropfen beginnt (Taf. V, Figur 3),
Die EntwickelungsgescliicLte des Fruchtkörpers konnte mit Hülfe des reichlich eingesammelten Materiales genau verfolgt werden. Sie schliesst sich in ihren ersten Anfängen eng an die durch Ed. Fischer genau bekannt gewordenen Vorgänge bei Ithyphallus impudicus an. So wie dort sieht man in dem ganz winzigen, eine kugelige Mycelendigung darstellenden Fruchtkörper zunächst einen Centralstrang von parallel gerichteten Hyphen, welche nach oben garbenartig ausstrahlen. Diese Garbe überdeckend, und von ihren Enden wahrscheinlich gebildet , erscheint dann die Anlage der Volvagallerte in Gestalt einer glockigen, bald sich stark verdickenden Kappe. (Für die Einzelheiten sind Fischers Abbildungen 1890, Fig. 18 u. ff. zu vergleichen). Das nächste Wachsthum des Fruchtkörpers kommt dieser Gallerte fast allein zu gute. Man findet Eier von 1 cm Durchmesser, die fast nur von der Gallerte ausgefüllt sind. Nur von unten, von der Ansatz- stelle her, ragt ein winziger, nach oben schwach kugelig verdickter Zapfen in die Gallertmasse hinein, und in ihm erfolgen die für den fertigen Fruchtkörper wichtigsten Bildungen.
Den nächsten Schritt vorwärts bezeichnet die Anlage der Stielwandung und des Hymeniums. Die erstere erfolgt rund um den Centralstrang herum in der für die Phalleen bezeichnenden Weise, ebenso wird das Hymenium als nach innen gerichtete Pallisadenschicht auf einer der Volvagallerte im Innern parallelen Zone hier wie bei anderen Phalleen angelegt. Alsbald erheben sich aus der ursprünglich glatten Hyphenpallisade nach innen zu Wülste, welche ebenfalls mit Pallisaden umkleidet sind. Sie umschliessen zwischen sich die ersten Glebakammern , und wachsen nun weiter, bald sich theilend und verzweigend. Der Raum für ihre Verlängerung wird durch das Wachsthum der ganzen Fruchtkörperanlage in die Höhe und in die Dicke geschaffen. (Für nähere Einzelheiten sei auf die Entwiche-
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lungsgeschichte des Ithyphallus teniiis [Fischer 1887J verwiesen). "Wenn nun die Wülste der Gleba zunächst allseitig, also auch an ihren Endigungen mit Pallisaden umkleidet sind, aus denen später die Basidien hervorgehen, so finden wir unter ihnen doch schon in sehr jungen Zuständen einige, welche an ihren Enden mit dem die Stielanlage umgebenden Grundgewebe in Ver- bindung getreten sind, und also Verbindungsplatten zwischen dem primordialen Geflechte ausserhalb und innerhalb der Gleba bilden. Auf Schnitten sind es Adern, welche die Gleba durch- setzen. Von dem Augenblicke an, wo diese Verbindung her- gestellt ist, wird sie nicht mehr unterbrochen, obwohl die Gleba wie die ganze Fruchtkörperanlage nun erheblich an Grösse nach jeder Richtung zunehmen. Die Adern zeigen also intercalares Wachsthum, Gleichfalls noch in sehr frühen Zuständen, wenn der gesammte Durchmesser der Glebamasse längst nicht ein Drittel der endgiltigen Ausdehnung erreicht hat, finden wir weiterhin dann alle inneren Endigungen der Tramawülste nicht mehr mit Hymenium erzeugenden Pallisaden bedeckt, sondern in Verbindung mit dem Grundgewebe. Die Entwickelung der Gleba vollzieht sich in ihrem überwiegend grösseren Theile durch intercalares Wachsthum. In die sich naturgemäss vergrössernden Gleba- kammern dringen sekundäre Tramawülste oder Platten bald ein. Von nun an aber beginnt jene Eigenthümlichkeit unseres Pilzes sich geltend zu machen , welche seinem fertigen Kopfe den be- sonderen Charakter verleiht. Es verdicken und verstärken sich nämlich die Tramaplatten und insbesondere die erst angelegten, durch Vermehrung ihrer Hyphenelemente. Dabei zeigt das dichtere Hyphengeflecht an vielen Stellen die Anfänge einer Pseudo- parenchymbildung. Vorzugsweise tritt die Verstärkung an den Tramaplatten ein soweit dieselben radial, und ganz besonders so- weit sie horizontal-radial verlaufen. Der Längsschnitt zeigt in Folge dieser Verstärkungen die Gleba durchzogen von sehr deut- lichen weissen Adern, wie sie auch auf der Figur 29 dargestellt
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sind. Diese Adern des Längsschnitts , in Wirklichkeit diese flachen Lappen, welche in der Mitte des Fruchtkörpers am dicksten und breitesten sind, während sie sich nach aussen zu zerfasern, sie sind es, welche allmählich solche Festigkeit erlangen, dass sie beim Flüssigwerden und Abtropfen der Grieba nicht mit zergehen, wie es sonst das Schicksal der Phalloideentrama zu sein pflegt, sondern dass sie als ein krauszottiger, weisser, per- rückenartiger Behang die Spitze des Receptaculums umgeben, wenn die letzten Keste der grünlichen Sporenmasse abgewaschen sind (Taf. VIII Fig. 31, 32).
Ehe noch das Abtropfen beginnt sehen wir, wie oben be- reits erwähnt wurde, die grünliche Gleba gleichsam mit grauen Pusteln gesprenkelt. Unsere Figuren 2, 3, 4 auf Tafel 5 zeigen dies sehr deutlich. Untersuchen wir die Pusteln genauer, so finden wir, dass sie aus Pseudoparenchym bestehen und in un- mittelbarem Zusammenhange sich befinden mit den Endigungen von Trama -Adern, welche hier am ßande der Gleba auf Kosten der noch innerhalb der Volva vorhandenen Reste des Grund- gewebes ihrer Neigung zur Bildung von Pseudoparenchym nach- geben konnten. Ist die Sporenmasse abgewaschen, so erscheinen die genannten Pusteln wie kleine knopfförmige Verdickungen an den Enden all der unendlich zahlreichen Fasern, in welche der Behang des Receptaculums aufgelöst ist (Fig. 31 u. 32). Die Neigung zur Pseudoparenchymbildung ist in der gesammten Trama vorhanden. Wir finden Pseudoparenchym in allen stärkeren Adern, Eine bestimmte Gesetzmässigkeit des Auftretens ist nicht vorhanden, jedoch erscheint es an den dicksten Stellen der Trama zuerst. Niemals wird die subhymeniale Schicht von der Pseudo- parenchymbildung berührt. Wir werden durch diese Bildungen unwillkürlich an die bei Mutinus zwischen Stiel und Gleba auf- tretenden oben erwähnten (S. 77) kugligen Zellen erinnert. Auch jene traten in unregelmässiger Vertheilung auf, zeigten aber unter sich gewöhnlich nur wenig Zusammenhang. Es kann kein Zweifel
— Os- sein, dass sie mit den hier in grösserer Anzahl und festerem Zu- sammenhang auftretenden pseudoparenchymatischen Bildungen wesensgleich sind.
Die Anlage des Eeceptaculums erfolgt in derselben Weise, wie es für Ithyphallus tenuis und impudicus durch Fischers Untersuchungen (1887 und 1890) bekannt geworden ist, und wie wir sie auch schon bei Mutinus kennen lernten. Die späteren Stielkammern sind zuerst mehr oder weniger rundliche Knäuel eng verflochtener Hyphen, welche von einander durch enge Zwischen- räume getrennt, in einer cylindrischen Schicht um den Central- strang gelagert sind. Diese Schicht ist von dem Centralstrange scharf abgesetzt durch eine zwischen beiden befindliche sehr dünne Zone stark aufgelockerten Geflechts, Die innersten Kammern der dicken Stielwandung werden zuerst angelegt, allmählich er- scheinen dann die Anlagen der äusseren Kammern, ebenfalls zu- erst in Gestalt kleiner Hyphenknäuel. Wie diese Knäuel sich durch Bildung einer Pallisadenzone , und Auflockerung ihres inneren Kernes in hohle Kammern umwandeln, ist früher schon geschildert worden.
Die Anlage des Eeceptaculums vollzieht sich aber nicht nur von innen nach aussen, sondern auch von unten nach oben fort- schreitend. Der genau mittlere Schnitt der Figur 28 zeigt uns den häufig beobachteten Fall, wo das Eeceptaculum anfänglich verhältnismässig tief unter dem Scheitelpunkt des Fruchtkörpers endet. Die Anlage der Kammern schreitet von da ab nach oben weiter fort, erreicht aber niemals in voller Eegelmässigkeit den Scheitelpunkt des Fruchtkörpers. In einem bald kürzeren (Fig. 29) bald längeren (Fig. 30) Endstücke hört die Eegelmässigkeit der Kammerbildung auf, die Wandstärke im Ganzen nimmt gleich- zeitig ab. Die Hyphenknäuel werden hier auch noch gebildet, sie grenzen sich aber nicht mehr so regelmässig gegen einander ab, die Pallisadenschicht, welche bei der regelmässigen Kammerbil- dung die Aussenwand herstellt, wird nicht mehr nach allen Seiten
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gleichmässig angelegt, und es entstehen auf ditse Weise Kammern, welche nach einer Seite ohne Wand sind; weiterhin tritt auch die Vergallertung und Auflockerung der im Innern des Hyphen- knäuels gelegenen Hyphen nicht mehr regelmässig auf und es kommen grössere Anhäufungen von geschlossenem Pseudoparen- chym zu Stande, wie wir sie z. B. in der Fig. 30 deutlich und in ununterbrochenem Zusammenhange mit den regelmässig gebil- deten Kammern wieder antreffen. Kurzum es treten Pseudo- parenchymbildungen aus dem Grundgewebe auf, welche unregel- mässige Falten und Knäuel bilden , die Tendenz zur Kammer- bildung, wie sie im Stiele vorkommt, indessen immer noch, wenn auch undeutlich erkennen lassen. Der Hohlraum des Stieles wird durch diese Bildungen in der Mehrzahl der Fälle nach oben all- mählich verengt, dann aber dicht unter dem Ende wiederum mehr oder weniger trichterförmig erweitert. Der trichterförmige auf diese Weise dicht unter der Volva am Scheitel der Fruchtkörper entstehende Raum ist zunächst mit Grundgewebe gefüllt, welches im Kreise herum seitwärts in jene schmale Schicht überführt, die zwischen Volva und Gleba die eigentliche Fruchtkörperanlage mantelartig umgiebt. In jenem trichterförmigen Baum nun ent- stehen, und zwar dicht unter der inneren Volvahaut, aus dem Grundgewebe pseudoparenchymatische, bei keiner anderen Phal- loidee bis jetzt in dieser AVeise beobachtete Neubildungen, welche endlich zur Erzeugung jener eigenthümlichen Mütze führen, die in Fig. 29 schon angelegt ist, auf dem Bilde 2 der Tafel V aber besonders üppig entwickelt auftritt. Die Anlage dieser Mütze geschieht in Hyphenknäueln, welche denen durchaus gleichwerthig sind, die den obersten unregelmässig gebildeten Theil des Recep- taculums bilden. Stellen wir uns eine Reihe solcher, in eine obere Schicht gelagerter Hyphenknäuel vor, die mit einander in enge Verbindung getreten sind, während die Hohlräume in ihrem Innern ausserordentlich klein bleiben, mitunter auch gar nicht angelegt werden , so haben wir den mittleren, fest zusammenhängenden
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Theil der Mütze. An dem äusseren in Zasern und schliesslich in einzelne Tupfen aufgelösten Rande derselben wurden die Hyphen- knäuel nicht mehr so zahlreich und nicht allseitig in festem Zu- sammenhange mit einander angelegt.
Von den bereits oben besprochenen, auf der freien Gleba überall erscheinenden weissen Tupfen, die ebenfalls pseudoparen- chymatisch sind, unterscheiden sich die zur Mütze gehörigen da- durch, dass sie mit der Trama in keiner Verbindung stehen, son- dern frei im Grundgewebe angelegt werden. Sie sind auch dess- halb von dem freien Hute leicht abhebbar, was mit den erst- erwähnten natürlich nicht der Fall ist. Die ganze Mütze ist nur lose auf dem Kopfe des Pilzes befestigt, es kommt vor, dass grosse Theile derselben bei dem Streckungsvorgange an der Innenseite der Volva haften bleiben.
Die Verbindung der Mütze mit dem Receptaculum ist am besten aus der Figur 29 zu ersehen. Da nämlich wo die äusser- sten obersten Hyphenknäuel, welche den oberen Rand des Recep- taculums zu bilden bestimmt sind, mit denen der gerade darüber befindlichen Mütze zusammenstossen, verschmelzen ihre Elemente mit einander zu gleichartigem pseudoparenchymatischem Geflecht und bringen so die Mütze in natürlichen Zusammenhang mit der Stielwandung. Es ist somit klar, dass wir die beiden Gebilde als wesensgleich, ja dass wir die Mütze geradezu als einen Theil des Receptaculums auffassen müssen.
Die beiden oben erwähnten Stücke der Itajahya (Seite 85), welche Herr Glaziou im Passeio publico von Rio de Janeiro ge- sammelt hat, zeigen eine ganz offene Stielmündung. Es ist bei ihnen das Receptaculum bis dicht unter die Spitze fast ganz regel- mässig gekammert, nur nehmen die Kammerwände nach oben an Stärke zu, während die Hohlräume immer kleiner werden. Der obere Rand des Receptaculums ist dick, kräftig kragenartig nach aussen gebogen ; er zeigt alle Eigenthümlichkeiten der Mütze. Die nach aussen gelegenen zaserig aufgelösten Theile sind bei den
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ohnehin mangelhaft erhaltenen Exemplaren jedenfalls abgerissen. Vergleichen wir diese offenen Fruchtkörper mit einem Falle, wie der auf Tafel V Fig. 2 dargestellte es ist. so liegt die Versuchung ausserordentlich nahe, in ihnen die Vertreter einer neuen Art unserer Gattung zu erblicken.
Wahrscheinlich würde ich mich in diesem Sinne entschieden haben, hätte ich nicht in Blumenau und zwar an einem Standorte, der mützentragende Exemplare geliefert hatte, einen Fruchtkörper (Fig. 30) geerntet, welcher aufs beste den üebergang vermittelt.
Wir sehen hier einen oben offenen Stielscheitel, der durch wenige, etwas versenkt liegende pseudoparenchymatische Geflechts- partien „««", die Reste der Mütze, kaum noch im Grunde ge- schlossen ist. Denken wir hier den Kragen nur ein wenig stärker ausgebogen, die Receptaculumwände ein wenig weiter von einander entfernt, so ist klar, wie leicht die Theile „r^«" der Mütze verloren gehen können, wenn sie überhaupt angelegt worden waren, und wir würden dann ein Bild haben, welches mit dem der Fruchtkörper von Rio de Janeiro auf das genaueste überein- stimmt. Ich habe deshalb kein Bedenken getragen, auch jene mit der Itajahya galericulata zu vereinigen.
Sehr geringe Verschiebungen des Zeitpunktes, in welchem einestheils die obersten Receptaculumtheile, andererseits die zur Mützenbildung führenden Hyphenknäuel angelegt werden, können hier offenbar grosse Verschiedenheit im Aussehen des fertigen Fruchtkörpers herbeiführen. Zur Kennzeichnung der Art ist die Mütze nur in sehr beschränktem Maasse zu verwerthen. Hatte doch auch jeder der zahlreichen (etwa ein Dutzend) entfalteten Fruchtkörper, die ich gesehen habe, eine anders gestaltete Pfütze. So mächtig wie auf Fig. 2 Taf. V war sie auf keinem andern ent- wickelt, und das auf derselben Tafel in Fig. 4 abgebildete Stück hatte nur in der Mitte eine winzige Andeutung des in anderen Fällen so auffallenden Gebildes.
Es bleibt nun noch der wichtigste Punkt zu erörtern, auf
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welche Weise bei unserem Pilze die Gleba mit dem B,ecepta- culum in Verbindung steht. Wie der Längsschnitt durch ein vorgeschrittenes Eistadium (Fig. 28) uns zeigt, ist fler vom Grund- gewebe um die Stielanlage herum gebildete Kegel hier von ver- hältnissmässig stumpfer Gestalt, besitzt aber eine lang ausgezogene Spitze. Im ganzen Verlauf dieser Spitze (oberhalb x in der Figur), welche dasjenige Stück darstellt, in dem das Receptaculum nicht mehr regelmässig gekammert ist, sondern aus mehr oder weniger unregelmässig gestalteten pseudoparenchymatischen Wänden be- steht, treten die Adern der Gleba mit eben jenem Pseudo- parenchym des Stieles in so unmittelbare Verbindung, dass sie weiterhin lediglich als Fortsetzungen und Anhängsel desselben erscheinen (vergl. die obersten Theile der Figuren 29, 30, 31). Was hier vom Grundgewebe vorhanden war, geht bei der Aus- bildung des Fruchtkörpers vollständig für die Beobachtung ver- loren. Anders jedoch verhält sich der untere Theil (unterhalb x der Figuren), derjenige also, in welchem die Enden der Gleba durch einen verhältnissmässig dicken Mantel aus Grundgewebe von der Stielanlage getrennt sind. Hier kommt eine Hutanlage zu Stande in derselben Weise, wie wir sie bei der Gattung Ithy- phallus wieder finden werden. Auf den Längsschnitten (Fig. 29 bis 31) erscheint sie als schmale, von der Receptaculumanlage (bei .r) ausgehende, die Gleba begrenzende weisse Linie, welche nach unten das Ende der Gleba meist nicht ganz erreicht. Diese Hutanlage setzt sich zusammen aus zwei wenig scharf getrennten Schichten, von denen die äussere der Trama, die innere dem Grundgewebe ihren Ursprung verdankt.
Wir wissen , dass die Tramawülste der Gleba ursprünglich mit der Hymeniumpallisade auch an ihren Enden bedeckt sind, dass al)er später dort das Hymenium unterbrochen wird und die Trama nun mit dem Grundgewebe in Verbindung tritt. Die Enden je zweier benachbarter, durch ihre Pallisadenschicht an der Spitze gleichsam durchbrechender Tramawülste treten nun auch
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seitwärts mit einander in Verbindung, und ihre Fäden bilden eine dünne Schicht, welche die Gleba abschliesst, und welche nach der Seite, wo sie die Glebakammern begrenzt, auchBasidien erzeugt. Diese dünne Tramaschicht ist ein Bestandteil der Hutanlage. Sie wird verstärkt durch einige wenige Zellenlagen, welche aus dem Grundgewebe ihren Ursprung nehmen. In diese Hutanlage nun münden die Tramaplatten , die A.dern der unteren Glebahälfte (unter x). Dieser Theil des Fruchtkörpers ist im Gegensatze zu dem oberen, an Mutinus erinnernden, durchaus nach dem Muster von Ithyphallus gebaut. Das Verhältuiss der Länge beider Theile (über und unter x) zu einander kann nun innerhalb weiter Grenzen schwanken. In jedem der beobachteten Fälle war es ein etwas anderes und der Längsschnitt durch jeden Fruchtkörper und jedes Ei bot daher ein etwas anders gestaltetes Bild. Aus einem Ver- gleich unserer Figuren 28 bis 31 wird dies klar. Bei Figur 30 ist der Hut ungewöhnlich tief angesetzt, der Mutinustheil ist bevorzugt, bei Fig. 29, welche das andere Extrem darstellt, ist der Hut sehr hoch augesetzt, und wir nähern uns dem Typus des Ithyphallus.
Man hat sich auf Grund der bisher bekannten Formen ge- wöhnt, unter dem Hute der Phalleen denjenigen Theil des Frucht- körpers zu verstehen, der die Gleba trägt, und der, auf der Spitze des Receptaculums befestigt, nach Abtropfen der Gleba zurück- bleibt. Nach dieser Auffassung würden wir die Perrücke in ihrer Gesamtheit, wie sie in den Figuren 31 und o2 durch Herrn K Volks geschickte Hand dargestellt ist , als den Hut von Itajahya zu bezeichnen haben. Diese Bezeichnung würde jedoch Missverständnisse herbeizuführen geeignet sein. Der Hut aller bisher untersuchten Ithyf)hallus arten entsteht ausschliesslich zwischen Gleba und Receptaculum als eine beide Theile trennende Schicht, Verschiedenheiten machen sich bei den einzelnen Formen dahin geltend, dass entweder die Trama mit dem Grundgewebe zusammen, oder letzteres allein die Elemente des Hutes liefert.
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Dem Hute von Ithyphalliis kann also bei Jtajahya nur das zuletzt näher beschriebene, die Innengrenze der Gleba dar- stellende dünne Häutchen gleichgesetzt werden Aus diesem Grunde erscheint es zweckmässig, für die Gesammtheit der perrückenartigen Bildung der Itajahya den Ausdruck Kopf an- statt Hut zu gebrauchen , wie ich es auch gethan habe. Auf den Längsschnitten unserer Tafel VIII gewinnt man freilich den Eindruck, als sei der eigentliche, dem Receptaculum meist dicht an- liegende Hut nur die letzte der Adern, welche neben und unter einander, vom obersten Theile des Receptaculums aus- strahlend, durch die Gleba sich verbreiten. Die Entwickelungs- geschichte hat uns eine andere Auffassung gelehrt, und auch genaue Untersuchung des fertigen Zustandes zeigt uns deutliche Unterschiede zwischen dem Hut und dem übrigen Perrücken- behange des Kopfes. Zunächst findet sich in dem dünnhäutigen Hute niemals die Pseudoparenchymbildung, welche in keiner der Tramaplatten fehlt, und selbst in deren äussersten knopfförmig verdickten Enden — den Pusteln auf der Fläche des sporen- tragenden Kopfes — überall angetroffen wird. Ferner aber ist die den Hut darstellende Haut rings um den Stiel herum in un- unterbrochenem, glockenförmigem Zusammenhange, was bei keiner der mannigfach zerschlitzten Tramaplatten zutrifft.
Eine besondere Eigenthümlichkeit anderen Phalleen gegenüber zeigt endlich der Hut der Itajahya noch darin, dass er fast niemals nach unten bis zum Ende der Gleba reicht. Seine Länge wechselt von Fall zu Fall, wie es die Betrachtung der Fig. 1 auf Taf. V und der Längsschnitte des Pilzes auf Taf. VIII deutlich ergiebt. In den untersten Theilen geschieht die Abgrenzung und der Ver- schluss der Grlebakammern nach der Seite des Stieles hin ledig- lich durch die makroskopisch kaum sichtbare feine Hülle des Tramageflechtes. Da der dünne Hut seinem Bau gemäss nur eine geringe Steifigkeit besitzt, so kann es leicht vorkommen, dass die
Gleba mit jenem unteren hutlosen Theile stellenweise sich dem
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Receptaculum fest anpresst, so class sie ohne Verletzung dort nicht abgehoben werden kann. Dieser Fall ist mehrfach beobach- tet worden; er tritt besonders leicht ein, wenn wie in Fig. 1 der Tafel V die Gleba nicht gleichmässig nach allen Seiten hin aus- gebildet ist. Hier drückt natürlich die schwerere Seite sich dem Stiele fest an, während die leichtere lose absteht und wir werden zum zweiten Male im unteren Theile des Kopfes an die Bezie- hungen unseres Pilzes zu Mutinus erinnert, Beziehungen, auf die wir bei Betrachtung des oberen Theiles in noch überzeugenderer Weise aufmerksam geworden sind.
Betrachten wir zum Schlüsse noch einmal die Fig. 1 Taf. V und Fig. 31 Taf. VIII, so sehen wir da im Innern des längs durchschnittenen Stieles und zwar auf dem ersteren Bilde sowohl oben als unten eine sehr dünne gallertig häutige Röhre. Wir erkennen in ilir die Reste des im Innern des Stielhohlraumes vorhandenen und bei der Streckung des Fruchtkörpers zerrissenen Grundgewebes, Reste, die in ähnlicher Weise auch bei Ithyphallus und Dictyophora zurückbleiben, und auf entsprechenden Abbil- dungen jener Pilze schon oftmals dargestellt worden sind (vgl. z. B. V. Tavel, Vergleichende Morphologie der Pilze, Jena 1892, Seite 184 Fig. 2 u. 3).
9. Ithyphallus giutinolens nov. sp.
Darwin hat auf Dünen bei Maldonado (Uruguay) einen Ithy- phallus gesammelt, welcher von Berkeley im Jahre 1842 als Phallus campanulatus beschrieben wurde (Ed. Fischer 1886 S. 50). Dies ist bis heute der einzige aus Südamerika bekannt gewordene Ithy- phallus geblieben. Obwohl die Form leider nicht genau unter- sucht wurde, so dass wir über viele wichtige Fragen im Unklaren bleiben, so ist doch soviel sicher, dass sie mit dem hier zu bespre- chenden Ithyphallus giutinolens nicht gleichbedeutend sein kann.
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Dieser nun also zweite südamerikanische Itbyphallus wurde in den drei Beobachtungsjahren 1891 — 93 zu vielen Malen und an verschiedenen Standorten in der Nähe von Blumenau im Walde angetroffen. Er gehört zu den kleinen Formen (s. die Fig. 1 auf Taf. IV), und erreicht nur 5 — 7 cm Höhe. Er ist durch eine ausserordentlich dicke Gleba und durch vollkommen glatten Hut ausgezeichnet und dürfte dem Itbyphallus rugulosus Ed. Fischers am ehesten verwandt sein. Die Gleba hat die ge- wöhnliche schmutzig-trüb-grüne Färbung. Sie ist auch am ent- falteten Fruchtkörper fast kuglig gestaltet, oben meist etwas ab- geplattet. An der dicksten Stelle erreicht sie, gemessen von der Hutoberfläche bis zum Aussenrande 8 mm Stärke. Die Sporen bieten nichts eigenthümliches. Sie sind 4 f.i lang, 1,5 [.i breit und sitzen bis zu 8 auf je einer ßasidie.
Ed. Fischer hat die bisher bekannten Ithyphallus-Formen in zwei Gruppen getheilt, die er reticulati und rugulosi nennt. Bei den ersteren zeigt der Hut, wenn die Gleba abgespült ist, eine grubig netzige Oberfläche, wie bei dem europäischen Itbyphallus impudicus, bei den andern ist die Oberfläche nur schwach runzelig höckerig, so z. B. bei dem aus Java bekannt gewordenen Itbyphallus rugulosus Ed. Fischer. Unsere Form passt genau genommen in keine der beiden Gruppen, denn wenn mau von einem frischen Fruchtkörper die Gleba sauber abspült, so erscheint eine voll- kommen glatte Hutoberfläche darunter. Bei der Aufbewahrung in Spiritus allerdings wird sie runzelig höckerig, und es hat dies seinen Grund in dem inneren Bau des Hutes, auf den wir weiterhin zu sprechen kommen.
Der Hut steht (Fig. 23 Taf. YIII) in spitzem Winkel vom Stiele ab, so dass man stets von unten her zwischen Hut und Stiel hineinsehen kann (Taf. IV Fig. 1); oben setzt er in der durch die Figur erläuterten Weise an das Beceptaculum an, wel- ches an seiner Mündung kragenartig ausgebogen ist. Die obere Oeffnung war in allen beobachteten Fällen durch ein dünnes Haut-
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cheii verschlossen, welches in dem liängsschnitte der Fig. 23 auch angedeutet ist. Von der Fläche gesehen stellt es eine am Rande strahlig zerschlitzte kleine Scheibe dar, wenig grösser als der durch den Kranz des Receptaculums gebildete Kreis. Dies Häutchen entspricht ganz genau der Mütze von Itajahya; wie jene wird es aus dem über dem Stielscheitel vorhandenen Grundgewebe ge- bildet, nur kommt es nicht über die sehr lockere, dünne, fädige Struktur hinaus , und Pseudoparenchymbildung wird nie darin gefunden.
Die Wandung des rein weissen Stieles wird nur aus einer Lage von Kammern gebildet, welche im oberen Theile nach aussen nicht einmal geschlossen sind. An der dicksten Stelle, etwa auf ^/^ der Höhe von unten her, erreicht der Stiel wohl 13 mm Durch- messer. Dort sind in der Wandung zwei Kammern neben ein- ander oftmals zu beobachten. In diesem Falle ist aber entweder die eine oder die andere nach aussen oder innen ojBfen.
Die Eier dieses Ithyphallus sind ganz unverhältnissmässig gross, sie erreichen nämlich bis zu 5 cm Durchmesser. Sie nehmen vor der Reife eine zarte, hellbraunröthliche Färbung (Saccardo Chromotaxia Nr. 8 hell) an. Die jungen Eier sind wie auch die Mycelien rein weiss.
Die Mycelstränge sind sehr stark, ausserordentlich weit ver- breitet und reich verzweigt. Der Pilz lebt, soweit ich es fest- stellen konnte, ausschliesslich in morschen, am Boden liegenden Baumstämmen, welche bereits soweit in Verwesung übergegangen sind, dass man den Holzkörper leicht zwischen den Fingern zer- mürbein kann. Hier durchziehen sie viele Meter weit in üppiger Wucherung den Stamm und erreichen bis zu 4 mm Stärke. Die mikroskopische Betrachtung zeigt manche Eigenthümlichkeiten. Zunächst fällt auf Querschnitten eine verhältnissmässig starke gallertige äussere Hülle auf. Diese Gallertscheide erreicht an Dicke oftmals '/:5 des gesammten Durchmessers. In ihr verlaufen, durch Gallertmasse weit voneinander getrennt, in sehr unregel-
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massiger Anordnung dünne Mycelfädeu, an denen man hier und da Schnallenbildung deutlich wahrnimmt. Nach aussen hin bildet sich von hier aus eine dünne Rinde, indem dieselben dünnen Mycel- fäden sich annähernd parallel radial ordnen, dichter zusammen- treten, an Durchmesser zunehmen und eine Art von Pseudo- parenchym bilden, in dem indessen meist noch der Aufbau aus Fäden ziemlich deutlich erkannt werden kann. Im Innern des Gallertcy linders verlaufen nun mehrere, gewöhnlich 3 — 4 Bündel enger verflochtener, weniger gallertiger Hyphen, welche im wesent- lichen in der Längsrichtung des Stranges angeordnet sind. Die Bündel sind von einander durch dünne Zwischenräume getrennt, in denen das Gallertgeflecht des Aussencylinders sich fortsetzt, Sie verlaufen ihrerseits nicht gerade und parallel, sondern in lang ausgezogenen Schraubenlinien gegen einander verdreht. Auf dem Querschnitt erscheinen diese Bündel als ziemlich rundlich um- schriebene Partien, getrennt von einander durch hellere Linien, welche von dem umliegenden Gallertringe ausgehen. Auch bei Itajahya sahen wir den Querschnitt der Stränge in Felder ge- theilt durch Linien , welche von der Rinde ausgingen. Dort waren aber diese Linien, also die längsverlaufenden Platten enger verflochten und erschienen dunkler, während die von ihnen ein- geschlossenen Bündel lockerer, gallertiger und daher heller er- schienen. Gerade das umgekehrte ist hier der Fall, und durch die ausserordentlich starke Gallerthülle unterscheiden sich die Stränge dieses Ithyphallus von allen a-nderen bisher beschriebenen Phalloideensträngen. Makroskopisch schon zeigen sie in Folge dieser Eigenthümlichkeit ein glasiges Aussehen, so dass ich sie stets leicht erkennen konnte, auch wenn ich sie ohne Fruchtkörper in morschem Holze antraf. Schlauchzellen, wie bei früheren Formen kommen auch hier wieder, und zwar am häufigsten in den dichteren inneren Bündeln, und in unregelmässiger Anordnung vor. Künstliche Kulturversuche stellte ich zu wiederholten Malen an. Nimmt man eine grössere Menge des Holzmulms mit den
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darin wachsenden Mycelsträugen heraus und hält sie unter einer grossen Glocke im Zimmer massig feucht, so kann man an den natürlichen Enden der Mycelien, und da, wo Stränge durchgerissen sind, die Weiterbildung neuer, höchst fein verzweigter Fäden unter der Lupe aufs schönste verfolgen. Die so gebildeten Mycel- flocken lassen sich leicht abheben , und unter dem Mikroskope mustern. Man findet 2— 4,u starke Hjphen, und viele Schnallen- zellen. Die bei den meisten andern Phalloideen so häufigen Ivrystalldrusenzellen und Einzelkrystalle an den Fäden wurden bei diesem Ithyphallus nie beobachtet.
Unter den Glocken verbreiten sich die Mycelien mit höchster Ueppigkeit durch das ganze Substrat; sie wurden regelmässig mehrere Wochen lang, doch immer vergeblich, auf etwaige Neben- fruchtformen hin durchsucht. Um reine Objektträgerkulturen zu gewinnen, schnitt ich aus den dicksten Mycelsträugen mit einem ausgeglühten Messer ein Stückchen des mittleren Stranges heraus und übertrug es in Nährlösung. In der Regel trieben dann an den Enden Hyphenbüschel nach beiden Seiten aus, welche noch lange die Neigung zeigten, sich strangartig zusammenzuschliessen und nur in der einen von dem ursprünglichen Strange angezeigten E-ichtung zu wachsen. Ich beobachtete hier sehr leicht und deut- lich die fast regelmässige Schnallenzellenbildung, durch die jedes- mal die letzte Zelle einer Hyphe mit der vorletzten sich in Ver- bindung setzte. Ich unterhielt Reinkulturen dieser Mycelien vom 30. August 1891 bis zum Februar 1892. Einige derselben hatte ich im Dezember in sehr kleine mit Nährlösung beschickte Erlen- mayer'sche Kölbchen übertragen*), in denen sie vortrefflich weiter wuchsen und einen dichten reich verzweigten weissen Hyphenfilz bildeten. Irgendwelche Nebenfruchtformen traten aber auch hier bis zuletzt nicht auf.
*) Fläschclien, wie die nach Professor Brefelds Angaben zur Kultur der Flechtenpilze ohne Algen (Münster i. W. 1887) mit Vortheil benutzten.
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Entwickelte Fruchtkörper fand ich im Februar, April, Mai und August. Das Vorkommen ist von der Jahreszeit offenbar unabhängig. Die Eier brauchen, um heranzureifen, mehrere Monate, und auch wenn sie ihre endgültige Grösse erreicht haben, vergeht noch geraume Zeit bis zum Augenblicke des Auf- platzens und der Streckung. Ein Ei von 4V2 cm Durchmesser beobachtete ich am natürlichen Standort im Walde in Zwischen- räumen von jedesmal 2 — 4 Tagen vom 12. Juli bis 4. August 1891. Es hatte in der Zeit nicht merkbar mehr an Grösse zuge- nommen, aber erst am 4. August erfolgte die Streckung des Receptaculums. Die ganze Beobachtungszeit gehörte zur kältesten Zeit des Jahres.
Der Streckungsvorgang selbst ist, wie es bei dem verhältniss- mässig grossen Umfange des Eies nicht anders zu erwarten war ein recht langsamer und bietet nichts besonders bemerkenswerthes. Er dauert ungefähr 12 Stunden. Wenn die äussere Haut platzt, so erscheint in der verflüssigten Gallerte die Innenhaut der Volva mit orangegelber Farbe. Die Gleba des eben gestreckten Pilzes ist trocken und fest. Es vergingen in dem beobachteten Falle nach der Streckung noch 10 Stunden, ehe sie schmierig wurde und Geruch entwickelte. Der Geruch des Pilzes, der an vielen Stücken beobachtet wurde, kommt demjenigen von schlechtem, ins Verderben übergehenden Tischlerleim sehr nahe. Dass der Geruch des Clathrus chrysomycelinus dem dieses Ithyphallus äusserst ähnlich ist, wurde oben schon bemerkt (Seite 28).
Da der Pilz, wie erwähnt, in modernden Stämmen lebt, deren Dauer nur nach Monaten zählt, so kann man ihn selbstverständlich nicht, wie es bei Itajahya der Fall war, Jahre lang an demselben Standorte verfolgen. Da ich ihn aber zu vielen Malen an ver- schiedenen Stellen fand, und die Eier in grosser Zahl angelegt zu werden pflegen, so gelang es, ein sehr reiches Material von Entwickelungszuständen zu beschaffen, aus dem über die Ent- stehung der Fruchtkörper und die morphologischen Einzelheiten
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der verschiedenen Theile alle wünsclienswerthen Aufschlüsse ge- wonnen werden konnten.
Die Anlage des Fruchtkörpers folgt in den ersten Zuständen den für die Phalleen allgemein gültigen Regeln. Zuerst tritt die Gallerthülle der Yolva auf und nimmt in dem jungen Frucht- körper den grössten Theil des Raumes ein. Sie ist durch eine Innenhaut gegen den zunächst sehr kleinen, nabelartigen Zapfen abgegrenzt; welcher in ihrem Grunde über der Ansatzstelle des Mycelstranges sich erhebt, und in dem der eigentliche Frucht- körper seinen Ursprung nimmt. Sehr deutlich konnte in vielen Fällen bei dieser Form die erste Anlage der Gleba als einer glatten, glockenförmigen, nur am Scheitel unterbrochenen Pallisadenschicht bestätigt werden. Von ihr erheben sich später die mit der Hymeniumpallisade überkleideten Tramawülste, welche die Gleba- kammern umschliessen. Die Anlage des Stielhohlraumes und der Stielkammern bietet gegenüber den bekannten Formen nichts bemerkenswerth Abweichendes. Unser Hauptaugenmerk richtet sich auf die Diffenzirungen , welche in dem zwischen Stiel und Gleba gelegenen kegelförmigen Zwischengefiechte vor sich gehen. Mit Recht hat Ed. Fischer darauf hingewiesen, dass fast allein die Verschiedenheiten dieser Differenzirungen die Gattungs- und Artunterschiede der Phalleen herbeiführen und begründen, und er hat ihnen eine ganze Reihe mühevoller Untersuchungen gewidmet. Wir müssen die Ergebnisse derselben kurz zusammenfassend über- blicken, um für den Ithyphallus glutinolens und seine Eigenthüm- lichkeiten die richtige Beurtheilung zu ermöglichen.
Bei der Gattung Mutinus zeigt das Zwischengeflecht fast keine Neubildungen. Es bleibt einfach fädiges Geflecht und wird schliesslich von der an den Stiel andrängenden Gleba fast zum Verschwinden zusammengedrückt. Nur zum kleinen Theile geht es in kuglige Zellen über, die den Anfang der Pseudoparenchym- bildung dort andeuten, wie wir oben (Seite 77) ausführlicher ge- sehen haben. Am stärksten tritt die Pseudoparenchymbildung
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bei Mutiuus caninus auf. Bei Ithyphallus. tenuis Ed. Fischer tritt zum ersten Male der Hut auf, d. h. eine Bildung, welche auch nach der Streckung des Eeceptaculums dauernde Trennung von Stiel und Gleba herbeiführt. Dieser Hut ist eine dünne Lage von Pseudoparenchymzellen, und wird nach Fischer von den Enden der Tramaplatten aus gebildet. Das Zwischengeflecht soll in diesem Falle an der Hutbildung kaum Antheil nehmen, es bleibt undifFerenzirt, und wird zerdrückt, später zerrissen. Bei Ithy- phallus impudicus tritt zum ersten Male im Zwischengeflecht, und zwar in seiner Mitte, ganz unabhängig von der Gleba, und zu einer Zeit, wo diese in den Anfängen ihrer Bildung und vom Stiele mit ihren Enden verhältnissmässig noch weit entfernt ist, eine selbstständige glockenförmige dichtere Zone („./" bei Ed. Fischer) auf, die sich oben der Eeceptaculumanlage etwas unterhalb ihres Scheitels anfügt. Diese Zone erreicht nun bei Ith. impudicus zunächst noch keine weitere Ausbildung. Der Hut dieses Pilzes wird vielmehr im wesentlichen von dem ausserhalb dieser Zone ./ zwischen ihr und der Gleba befindlichen Reste des Zwischengeflechtes gebildet, und höchstens soll eine äusserste Schicht von ./ an seiner Bildung betheiligt sein. Die Zone J ist nun aber dieselbe, aus der bei Dictyophora das Indusium hervor- geht. Es hatte deshalb van Bambeke*) angenommen, dass der Hut von Ithyphallus impudicus gleichwerthig zu setzen sei mit dem Hut und dem Indusium von Dictyophora, da die Zone Jim erste- ren Falle ganz in der Bildung des Hutes von Ith. impudicus mit auf- ginge während sie bei Dictyphora das Indusium bildete. Ed. Fischer hat durch sorgsame Untersuchungen (1893) diese Annahme wider- legt. Aus der Zone J bei Ith. impudicus wird nichts, sie bleibt im Zustande des Zwischengeflechts. Ith. impudicus hat kein In-
*) De l'existence probable chez Phallus impudicus d'un involucrum ou in dusium rudimentaire 1890. Botanich Jaarboek uitgegewen doorhet kruidundig genootscliap Dodonea te Gent. Derde Jaargang 1891,
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dusium, auch kein rudimentäres, er hat nur die Zone ./, welche freihch in ihrer Form und Lage ganz genau derselben Zone bei Dictyophora entspricht ; und bei dieser Form geht ein Indusium daraus hervor.
Dass übrigens der Hut von Ith. impudicus nicht die Indusium- anlage der Dictyophora in sich einschliesse, lässtsich ohne die mühe- vollen Untersuchungen der Entwickelungsstadien durch blosse ver- gleichende Betrachtung reifer Fruchtkörper sehr wahrscheinlich machen. Da wo sich der Stiel des Ith. impudicus zur Spitze verjüngt, wo seine Wandstärke plötzlich abnimmt, an einer Stelle, die meist noch vom Hute überdeckt ist, zeigt er eine deutliche, bald mehr bald weniger kräftig ausgebildete, ringförmige, vorspringende Kante, die ganz genau an derselben Stelle und in derselben Form bei Dictyophora stets zu sehen ist. Bei dieser setzt eben hier das Netz des Indusiums an. Hier müsste es auch bei Ith. impudicus ansetzen, wenn es zur Ausbildung käme, es kommt aber nicht ein- mal zur Anlage, sondern die Zone ./ vergeht spurlos.
Hatte nun also van Bambeke mit seiner Annahme für Ith. impudicus unrecht, so trifft sie dagegen vollständig zu für den Ithy- phallus, mit dem wir uns hier beschäftigen. Bei ihm ist wirklich der Hut gleichwerthig zu setzen mit Hut und Indusium von Dictyo- phora. Schon in sehr frühen Zuständen, nämlich sobald die Anlage der Gleba auf dem Längsschnitt als dunkler Streifen sichtbar wird, hebt sich auch im Zwischengeflecht eine glockenförmige Zone durch dunklere Färbung in Folge dichterer Hyphenverflech- tung deutlich ab, die Zone ./. Sie setzt sich der Stielanlage an etwas unterhalb einer urnenförmigen Erweiterung derselben am oberen Ende, einer Erweiterung, welche für diese Form bezeich- nend und auf den Figuren 22 und 23 wiedergegeben ist. Die ge- naue Verfolgung dieser Zone, der eigentlichen Hutanlage des Ithyphallus glutinolens von ihren frühen Anfängen bis zur Reife ergicbt als sichere Thatsache, dass hier der Hut voll- kommen selbstständig aus dem Grundgewebe, und zwar in erster
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Linie aus der Zone ./ entsteht, ganz unabhängig von der Gleba, insbesondere von den Enden der Tramawülste. Diese letzteren bleiben noch während der Hutbildung und zum grossen Theile bis zur völligen Eeife mit der Hymenialschicht überzogen.
Die Zone J zeigt in ihrem fädigeu Aufbau noch keine Ver- änderungen, wenn bereits die Stielkammern im mittleren Theile des Receptaculums deutlich sichtbar angelegt sind. Erst wenn die Wände jener Kammern anfangen sich zu falten, die Anlage der obersten Stielkammern deutlicher wird, und wenn gleichzeitig damit das Pseudoparenchym in den obersten, nicht mehr kammer- artig ausgebildeten Theilen des Receptaculums (Fig. 20, Taf. VII) sich herausbildet, entstehen auch in der Zone J, und zwar in einer mittleren Schicht derselben Hyphenverknäuelungen, aus denen Pallisadenschichten und Pseudoparenchymbildungen hervorgehen. Die entstehenden Pseudoparenchymbildungen treten mit einander und in dem obersten Theile mit denen des Stieles in Verbindung (Fig. 20), Die Hyphen, welche sie zunächst umgeben werden alsbald gallertig, ganz in derselben Weise, wie die in den Innen- räumen der Stielkammern und -Falten verbleibenden Hyphen gallertig werden, sie lösen sich aber nicht auf, und werden auch nicht zerrissen, wie jene, sondern sie bilden eine innere gallertige Schicht des Hutes, welche die Pseudoparenchympartie einhüllt. Es kann nun einem Zweifel nicht wohl unterliegen, dass die Pseudo- parenchymtheile des Hutes als wesensgleich anzusehen sind mit den Pseudoparenchymbildungen des Stieles, also mit den Kammer- wänden desselben, im oberen Theile mit dem Stiel selbst, mit wel- chen sie in der Art ihrer Bildung und Entstehung unterschiedlos übereinstimmen, und mit dem sie in einem festen natürlichen Zu- sammenhange sich befinden.
Die Pseudoparenchymschicht im Innern des Hutes zeigt nicht immer ganz gleiche Beschaffenheit. Oft ist sie wie in Fig. 20 nur eine einfache glatte Schicht, nicht selten aber sehen wir wie in Fig. 21, Unterbrechungen, auch Faltungen in ihr auf-
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treten, welche gleichsam die Anfänge einer Kammerbildung an- zudeutenscheinen. Es giebtnun einen Ithyphallus Eavenelii (Ä et C) Ed. Fischer, bei dem gut ausgebildete Kammern gleich den Kammern des Stieles auch im Hute vorkommen, und es erscheint im Zu- sammenhange mit den Untersuchungen jenes Phallus, die Fischer 1893 mitgetheilt hat, ohne Zweifel, dass auch bei ihm die Kammern in derselben Weise angelegt werden, wie bei unserem Ith. gluti- nolens, den wir als einen Vorläufer jener Form dann zu be- trachten haben würden.
Die Pseudoparenchymbildungen im Hute dieser beiden Ithy- phallusformen sind wesensgleich den Kammerwänden des Stieles, sie sind Fortsetzungen oder Anhängsel des Receptaculums. Nichts anderes ist auch das Indusium der Dictyophora. Mit diesem letzteren sind sie in Parallele zu setzen nur insofern, als sie aus der Zone ./ ihren Ursprung nehmen , einer Zone, welche bei den beiden Ithyphallusarten und bei Dictyophora in jungen Zuständen vollkommen übereinstimmend in Bau nnd Lage angetroffen wird, welche aber bei jenen sich zu einer den Hut verstärkenden Schicht, bei dieser zu dem Schaustück, dem Indusium, entwickelte.
Betrachten wir nun noch einmal den fertigen Hut des Ith. glutinolens (Fig. 20, 21), so finden wir in seiner Mitte die Pseudo- parenchymschicht, nach aussen und innen von Gallertgewebe ein- geschlossen. An das Gallertgewebe legt sich wiederum nach aussen und innen eine glatte Schicht einfach fädigen Geflechts an. Diese Schichten fädigen Geflechtes stellen die äussersten Schichten der Zone ./ dar, die nicht an der Pseudoparenchymbildung betheiligt waren. Nach aussen kommen noch Theile jenes Geflechts hinzu, welches zwischen der Zone J und der Gleba sich befand , und beim Heranwachsen der letzteren mehr und mehr zusammenge- drückt wurde. Es fliesst mit den äussersten Schichten der Zone J ohne scharfe Grenze zusammen. Die Tramawülste stossen mit ihren, wie schon erwähnt, meist basidienbekleideten Enden auf die Hutfläche. Es kommen indessen auch Fälle vor. wo sie an
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der Spitze die Basidienschiclit durchbrechen, und mit der äusseren fädigen Schicht des Hutes in Verbindung treten.
Wird die Gleba abgespült, so erscheint die Hutfläche voll- kommen glatt. Bringt man den Hut dann in Alkohol, so ziehen sich die Gallertschicht, und die fädige Schicht mehr zusammen als die Pseudoparenchymschicht. Dieser letzteren lagern sich die übrigen Theile des Hutes fest auf, und da sie selbst nie vollkommen eben, mitunter (Fig. 21) sogar stark höckerig ist, so erscheint nun die ganze Hutoberfläche runzelig, worauf oben schon hingewiesen wurde.
10. Dictyophora phalioidea Desvaux.
Wenn wir durch Ed. Fischer (1890) erfahren, dass nicht weniger als 36 Synonyma für Dictyophora phalioidea Desvaux be- stehen, wenn wir an der Hand der Zusammenstellungen desselben Autors die ausserordentlich grosse Anzahl von Abbildungen des Pilzes kennen lernen, welche bereits vom Jahre 1750 an ver- öffentlicht worden sind, so kommt es uns deutlich zum Bewusst- sein, dass keine andere Phalloidee, ja vielleicht kein anderer Pilz überhaupt die Aufmerksamkeit der botanischen Tropenreisenden in so hohem Maasse erregt hat, wie dieser. Dass eine so von allen übrigen Pilzformen abweichende Gestalt (Tafel I), ein Pilz, der ausser durch die Gestalt noch durch unerträglichen Gestank sich jedem bemerklich macht der ihm nahe kommt, nicht unbe- merkt bleiben konnte, ist um so natürlicher, als er in allen Erd- theilen, mit Ausnahme Europas, vorzugsweise zwar in den Tropen, aber stellenweise auch über die Grenzen der Tropen hinaus vor- kommt, und nicht einmal sehr selten zu sein scheint.
Die Entwickelungsgeschichte des Fruchtkörpers ist bekannt. (Ed. Fischer 1887 und 1890). Aber über das Vorkommen der Dictyophora, über das Auftreten in verschiedenen Jahreszeiten,
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über flie Einzelheiten des Streckungsvorganges, sind nur erst wenige und ungenügende Beobaclitungen mitgetheilt worden. Unter all den zahlreiclien in der Literatur vorhandenen Abbil- dungen ist keine, die als eine getreue Darstellung des frisch entwickelten Pilzes bezeichnet werden könnte, keine, die geeignet wäre, dem Beschauer eine deutliche und richtige Vorstellung von der Eigenart und Schönheit des Gebildes zu vermitteln. Es hat das seinen Grund darin, dass trotz der Häufigkeit des Vor- kommens, trotz des ausserordentlich weiten Verbreitungsgebietes^ dennoch die genauere Beobachtung des Pilzes auf eigenartige Schwierigkeiten stösst. Fast ausnahmslos nämlich werden die Fruchtkörper erst bemerkt, wenn sie sich durch ihren Geruch ankündigen, also in einem Zustande, wo die Gleba schon flüssig ist. Dieser Zustand ist nur des Abends zu beobachten. Es ist dann schwierig, den sehr zerbrechlichen zarten Pilz von seinem natür- lichen Standort unverletzt wegzunehmen und zur Beobachtung zu bringen, noch schwieriger ihn zu conserviren, ganz abgesehen da- von, dass nur der Naturforscher, dem besonders an der Kennt- niss dieses Pilzes gelegen ist, sich zu näherer Beschäftigung mit dem ekelhaft riechenden Fruchtkörper herbeilässt. Die Eier ent- stehen fast immer unterirdisch, und sie sind nur zu finden wenn man Standorte des Pilzes kennt und in regelmässigen Zwischen- räumen absucht. Erst mit ziemlich grossem Aufwände von Zeit und Mühe gelingt es, reife Eier zu gewinnen, an denen man den Streckungsvorgang beobachten kann.
Sobald ich im December 1800 zum ersten Male entwickelte und stets beschädigte Exemplare von Dictyophora gesehen hatte, setzte ich unter den Kindern in meiner Nachbarschaft eine Be- lohnung aus für den, der mir ein Ei der „Dame" finden würde, das kurz vor dem Aufbrechen wäre, und am 10. Januar wurde ich denn auch endlich in einen nicht weit entfernten Garten ge- rufen, wo unter einer Hecke in dichtem Schatten schon mehrmals Fruchtkörper beobachtet waren, und wo nun zwei Eier entdeckt
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waren, die durch ihre spitze Gestalt anzeigten, dass sie bald aufbrechen würden. Ich hob sie mit einem grossen Ballen Erde sorgfältig heraus und brachte den ganzen Ballen auf einem Brett ins Zimmer. Am nächsten Nachmittag um 2 Uhr bemerkte ich, dass die Volva des einen Eies an der Spitze aufriss und der Hut- mittelpunkt sichtbar wurde.
Das reife Ei hat 2 — 2^2 ^^ Durchmesser und ist rund; beim ersten Beginn der Streckung zeigt es unter dem Drucke des vordrängenden Hutes eine gelinde Zuspitzung. Es hat nun etwa 3 cm Länge, 2 cm Breite und echte Eigestalt; die Volva ist stark gespannt. In unserem Falle begann, nachdem sie an der Spitze unregelmässige Bisse bekommen hatte , das Hervorschieben des Hutes nur langsam ; es galt , den Wider- stand der immer noch nach oben verengerten Volva zu über- winden. Allmählich immer schneller dringt nun der Kopf durch den Spalt vor, die grünliche Gleba wird sichtbar. Sie ist vollkommen glatt, doch nicht feucht, und von Geruch ist nichts wahrzunehmen; die mattdunkelgrüne Schicht erscheint schon jetzt gefeldert durch die Ränder der wabenartigen Vorsprünge des Hutes. Bis 3 Uhr 10 Min. Nachmittags war die Gesammt- länge des Beobachtungsobjekts, gemessen vom Fusse des Eies bis zur Spitze, auf 46 mm angewachsen, immerhin also eine Ver- längerung von 16 mm in 1 Stunde und 10 Min. eingetreten. Nun aber, nachdem der Widerstand der Volva überwunden war, ging die Streckung in wahrhaft staunenerregender Schnelligkeit vor sich. Von 3 Uhr 10 Min. bis 3 Uhr 15 Min. verlängerte sich das Beceptaculum um 5 mm, in der Minute um 1 mm, sodass man mit dem blossen Auge die Bewegung der (scheinbar) wach- senden Spitze unmittelbar bemerken konnte. Mit der gleichen Schnelligkeit von 1 mm auf die Minute ging nun die Streckung weiter bis 3 Uhr 20 Min. Um diese Zeit löste sich der untere Hutrand vom Rande der Volva, und der Stiel wurde zwischen beiden sichtbar. Der Hutrand ist von der Spitze des Hutes
Schimpei''s Mittheiluugeu Heft 7. 8
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29 mm entfernt. In den Maassen des Hutes trat weiterhin keine Veränderung mehr ein.
Unter dem Hute bemerkt man jetzt auch, wenn man von unten her hineinzusehen versucht, das vollkommen zusammen- gefaltete Netz (Indusium), welches indessen über den unteren Hutrand noch gar nicht hervorragt. In der Wachsthums- (Streck- ungs-) Schnelligkeit trat eine geringe Verlangsamung ein. Die Ge- sammthöhe betrug :
3 Uhr 20 Min. 55 mm,
3 „ 32 „ 60 „ r^^ mm Zunahme in der Minute,
" )? ^^ n "^ )5 Y 55 55 55 55 55
"J 55 ^^ 55 '^ 55 1 TT 55 55 55 55 55
Am Stiele, dicht unter dem Hutrande, wurde ein zartes, weisses Häutchen sichtbar, das zwischen Indusium und Stiel vor- handene Grundgewebe (Zwischengeflecht). Dasselbe reichte etwa 10 mm weit unter den unteren Hutrand.
Bis hierher gleicht die Dictyophora vollkommen einem auf- schiessenden Ithyphallus, da von dem Netze nichts zu sehen ist. Nun aber beginnt dieses sich bemerklich zu machen, es fängt an einigen Stellen an, unter dem Hute hervorzutreten. Von 3 Uhr 60 Min. bis 4 Uhr ging die Streckung wieder im schnellen Zeit- maasse von 1 mm in der Minute vorwärts bis zur Gesammthöhe von 83 mm. Das Netz war jetzt ringsum etwa 1 mm unter dem Hutrande vorstehend zu bemerken, und es entsprach dieser Zeit- punkt etwa der von Fischer gegebenen Figur (1887, Tafel IV, Fig. 21). Hatten wir um 4 Uhr eine Gesammthöhe von 83 mm, so ergab sich: um 4 Uhr 7 Min. eine Gesammthöhe von 87 mm, 55 4 „ 15 „ „ „ „ 99 mm.
Es war eine Zunahme der Länge von 1 '/.^ mm in der Minute eingetreten. Bei diesem Zeitmaasse ist es aufs deutlichste, ohne Anstrengung, möglich, den Pilz wachsen (sich strecken) zu sehen. Was aber die Erscheinung noch wunderbarer macht, ist der noch nie erwähnte Umstand, dass man ihn auch wachsen hören kann.
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Von dem Augenblicke an nämlich, wo die schnelle Streckimg be- ginnt, vernimmt man bei vollkommener Ruhe im Beobachtungsraume ein ganz deutliches, feines Knittern, etwa so, wie wenn Seifenschaum zusammensinkt. Dies Geräusch wird jedenfalls durch die Streckung der Kammerwände des Stiels, vielleicht auch durch die Zer- reissung der letzten Hyphenreste im Innern der Kammerhohl- räume hervorgebracht.
Ganz plötzlich, um 4 Uhr 20 Minuten, wo eine Gesammthöhe von 104 mm erreicht war, begann der Geruch des Pilzes bemerk- lich zu werden. Bis dahin sah die Gleba trocken aus und es war keine Spur von Geruch wahrnehmbar. Mit einem Augenblick aber nimmt sie ein feucht-schleimiges Aussehen an, und der Ge- ruch ist da.
Die bei Ludwig (Seite 503 des Lehrbuchs der niederen Kryp- togamen, 1892) aufgenommene Bemerkung, dass bei Dictyophora der Gestank von dem Netz ausgehe, beruht wohl auf irrthüm- lichen Mittheilungen. Das Netz für sich verbreitet gar keinen Geruch, dieser geht vielmehr hier, wie bei allen andern Phalloideen, von der zerfliessenden Gleba aus. Er ist überaus widerwärtig. Als ich später einmal im Jahre 1892 drei aufbrechende Dictyo- phora-Fruchtkörper gleichzeitig im Zimmer beobachtete, fühlte ich mich plötzlich einer Ohnmacht nahe, und musste schleunigst ins Freie eilen. Der Gestank hat die grösste Aehnlichkeit mit dem des bekannten Ithyphallus impudicus, nur ist er noch durch- dringender. Man findet nun sehr oft die Angabe, der Ith. impu- dicus rieche nach Aas. Dieser Vergleich ist wohl nur ein Noth- behelf. Die Aehnlichkeit beider Gerüche miteinander ist sicher nicht gross, und ich glaube bestimmt, dass kein aufmerksamer Beobachter, der in seinem Garten an einem Sommerabend spazieren gehend durch üblen Geruch plötzlich belästigt wird, im Zweifel darüber sein wird, ob ein Aas oder ein Ith. impudicus in der Nähe sich befindet.
Herr F. Hennings schrieb sehr zutrefi:"end in den Abhand- lungen des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg XXX
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Seite 306 : „Dieser" (nämlich Tth.impudicus) „besitzt durchaus keinen Leichen- oder Aasgeruch, wie in vielen Büchern steht, sondern vielmehr den des Senföles oder des Rettigs in widerlich verstärktem Maasse." Dass dieser Vergleich zutreffend ist, kann ich auch für Dictyophora durchaus bestätigen. Noch näher kommt dem frag- lichen Gerüche der des Löffelkrautöles. Wenn man den Spiritus cochleariae der Apotheken auf Fliesspapier träufelt und eintrocknen lässt, so wird man unwillkürlich an den Ith. impudicus erinnert. Diese Bemerkung hat Herr R. Volk in Batzeburg gemacht, und ich fand sie sehr zutreffend. Immerhin fehlt dem Gerüche des Senföles sowohl, wie dem des Löffelkrautes das ekelhafte des Phallusgestankes. — Man würde also sagen können, dass der fragliche Geruch an Sulfocyanverbindungen in auffallender Weise erinnere. Kerner von Marilaun hat im zweiten Bande seines „Pflanzenlebens" Seite 194 ff. eine vorläufige sehr dankenswerthe Eintheilung der pflanzlichen, vorzugsweise der Blüthen-Düfte in fünf Klassen gegeben. In Berücksichtigung der chemischen Charakteristik jener fünf Klassen lässt sich der Phallusgeruch keiner derselben einordnen.
Doch kehren wir zu der sich streckenden Dictyophora zurück. Die Beobachtung wird zwar von dem Auftreten des Ge- stankes an weniger angenehm, gewinnt aber alsbald erhöhtes Interesse und geradezu spannenden Beiz durch das Erscheinen des Netzes.
Die Gesammtstreckung verlief weiter nach folgendem Zeit- maass:
4 Uhr 20 Min. 104 mm
4 „ 28 „ 114 „ 'Vi mm Zunahme in der Minute,
'* n ^- r 11" »1 74 V )? H » »
4 37 124 1
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Bis hierher waren von dem Netze nur erst wenige Maschen
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sichtbar geworden, welche höchstens 10 mm, an einigen Stellen nur 2 mm unter dem Rande des Hutes hervorragten.
Von 4 Uhr 37 Min. ab aber begann das Netz sich ganz schnell und stossweise hervorzustrecken. Die meisten Maschen, welche sichtbar wurden, waren bereits entfaltet, es kamen jedoch bisweilen geschlossene zusammengefaltete Partieen vor, welche in dem Netz gleichsam Verknotungen darstellten^ und die sich erst nach und nach auflösten.
Um 4 Uhr 54 Min. ragte das Netz bereits um 22 — 25 mm hervor, um 5 Uhr dagegen um 35—40 mm, und um 5 Uhr 8 Min. schon um 85 mm, es war also in 6 Minuten um 15 mm, dann aber in 8 Minuten um 40 — 50 mm vorgerückt und zwar ruckweise. Jedesmal nämlich, wenn oben unter dem Hut eine oder gewöhnlich mehrere Maschen auf einmal sich entfalten, so giebt es einen E,uck, der das ganze Netz erzittern macht. In den 8 Minuten nach 5 Uhr stand das Netz keinen Augenblick ganz still. Ich hatte den Frucht- körper in den verschiedenen Zuständen um 4 Uhr 10 Min. und 4 Uhr 50 Min. photographirt und wollte jetzt, da das Netz vor- stiess, noch eine Aufnahme machen. Es war aber gegen 5 Uhr schon das Tageslicht so schwach wirkend, dass ich eine Expositions- zeit von einer Minute gebrauchte. Die Photographie zeigte das Netz zwar nicht sehr scharf, aber doch genügend deutlich in zw^ei-, an manchen Stellen dreimaliger Abbildung unter einander. So oft war es während der Exposition vorgerückt.
Die Balken der Netzmaschen sind zunächst steif. In dem Maasse, wie die Maschen sich entfalten, vergrössert sich der Um- fang des Netzes, welches kegelförmig steif von dem Stiele absteht.
Als seine schnellere Entfaltung einsetzte, also um 4 Uhr 50 etwa, war die Streckung des Receptaculums noch nicht zu Ende. Diese setzte sich weiter bis zum Endpunkte in der durch die folgen- den Zahlen genau bestimmten Weise fort. Es betrug die Ge- sammthöhe um
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4 Uhr 54 Min. 134 mm
5 ,, 0 „ 140 ,. 1 mm Zunahme in der Minute
5 , 8 „ 144 „ % 5 „ 12 „ 152 „ 2 5 „ 20 „ 168 „ 2
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Nach den oben verzeichneten Angaben beträgt also die grösste Schnelligkeit, welche der aufstrebende Stiel erreicht, 2 mm in der Minute, die grösste Schnelligkeit des herabfallenden Netzes aber sogar über 5 mm. Auf einer gewöhnlichen Taschen- uhr ist der Weg, welchen die Spitze des grossen Zeigers in der Minute zurücklegt etwa 2 mm. Mit dieser Schnelligkeit schiesst der Hut der Dictyophora in die Höhe.
Man wird sich vorstellen können, dass es zu den wunderbar- sten und eindrucksvollsten Beobachtungen an Pilzen gehört, der Entfaltung einer Dictyophora zuzuschauen. Es mag die Streckung des Receptaculums bei unserer Gichtmorchel bisweilen annähernd eben so schnell vor sich gehen, — wunderbarerweise scheinen genaue Angaben hierüber in der Literatur zu fehlen — immerhin fehlt ihr das Indusium, welches die Dictyophora zur ersten Pilzblume" macht.
Der Glanzpunkt des Entfaltungsschauspiels liegt unstreitig in dem Zeitpunkte, wo das schneeweisse Netz, theilweise noch ver- klebt, und erst halb entwickelt, mit stossweisem Ruck sich herab- senkt, und dabei das ganze Pilzgebilde sekundenlang in gleichsam selbstthätiger Bewegung erzittert.
Natürlich suchte ich mir den geschilderten, fesselnden An- blick so oft als möglich zu verschaffen. Es gelang im Jahre 1890 zweimal, 1892 sechsmal und 1893 zweimal, den Streckungsvorgang genau zu verfolgen. Hierbei stellten sich natürlich von dem oben genau geschilderten Verlaufe im einzelnen unbedeutende indi- viduelle Abweichungen ein.
Die allerbedeutendste jemals beobachtete Schnelligkeit der
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Entfaltung trat bei einer am 14. Februar 1892 beobachteten Dictyophora auf. Hier verzeichnete ich die Gesammthöhe
um 5 Uhr 25 Min. mit 70 mm
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In der einen Minute von 5 Uhr 25 bis 5 Uhr 26 war das Recepta- culumumömm verlängert. Für gewöhnlich wurde die Geschwindig- keit von 2 mm für die Minute nirgends überschritten. In sehr verschiedener Weise erfolgte das Herablassen des Netzes. Einige Male erreichte der Fruchtkörper beträchtliche Höhe in der Ithyphallusgestalt (am 14. Februar 9^2 cm), ohne dass von dem Netz eine Spur unter dem Hutrande hervorragte; in anderen Fällen wiederum sah man, sobald der Hutrand sich von der Volva löste, auch schon das Netz ringsherum in schmalem Saum hervorstehen. Meist trat es in der Weise auf, dass jede Netzmasche, die hervor- quoll, auch gleich geöffnet war, in einem Fall aber erschien das Indusium wie ein eng anliegender geschlossener strumpfartiger Cylinder aus dem Hut hervorgeschoben, und erst nachträglich öffneten sich die Maschen; dann auch kam es vor, dass die oberen Maschen sich eher öffneten, als die unteren und in diesem Falle also sich blasenartig nach aussen aufwölbten, während der untere Netzrand noch enge zusammengehalten war.
Es ist bekannt, dass die Dictyophora sich nur in den Nach- mittagsstunden entfaltet. In den 10 beobachteten Fällen:
erfolgte das Platzen derVolva dauerte der gesammte war die erreichte Gesammt- höhe der Fruchtkörper
am |
um |
ötre( |
jkung |
svorgani |
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2 |
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anden 30 Min. |
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17./1. 91 |
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3 |
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3 |
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11. 3. 92 |
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In dem neunten Falle ist das Ende der Streckung nicht abge- wartet, sondern der halb entwickelte Fruchtkörper in Alkohol be- wahrt worden.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Dictyophora- Fruchtkörper mit hereinbrechender Dunkelheit fertig entwickelt dastehen und in der That